Lehrer sind auch nur Menschen. Und nicht jeder trifft sich abends mit Kolleginnen abwechselnd zum Nordic Walking oder zum Fortgeschrittenenkurs in Seidenmalerei. Ich denke ich bin das Kuckucksei im Lehrerzimmer. Etwa wie ein Veganer, der ausversehen Metzger geworden ist oder ein Pilot mit Höhenangst. Oder wie eine Franzi van Almsick, die immer wieder vom Schwebebalken fällt weil sie noch nie jemand ins Wasser geschubst hat.

Mittwoch, 26. April 2017

Ü30 – Der beste Sex deines Lebens wartet auf dich TEIL 1



Es gibt ein Alter, in dem die einen beginnen, einer Zeit hinterher zu trauern die sie für besser, freier oder wilder halten. Die anderen schauen im gleichen Alter beim Vögeln in den Spiegel und geben sich gedanklich selbst ein High-Five.... 

Der heutige Artikel ist zwar eher an Frauen addressiert. Ich denke allerdings, dass auch Männern die Lektüre nicht schaden kann. Anfangs hatte ich mir vorgenommen geschlechtsneutral zu schreiben, die Tatsache dass ich eine Vollblutfrau bin, kam mir beim Erreichen dieses Ziels jedoch in die Quere. Ich bin mir sicher, der empathische Mann hat dennoch seine Freude an meinen Überlegungen. Vorab: um die Aufmerksamkeit der geneigten Leserschaft nicht überzustrapazieren erscheint TEIL 2 des Artikels heute in einer Woche.
 
Für manche Menschen ist der dreißigste Geburtstag eine Art Deadline. Ein vorgezogener Tod, an dem die Jugend endet und das Erwachsensein beginnt. Mit einer Drei an der Zehnerstelle des Alters hat man nur noch an Wochenenden und mindestens von Mittelklasse-Riesling durchschnittlich berauscht zu sein. 
Man sollte seine freie Zeit mit der allmählich vervollständigten Familie in Outdoorkleidung zu den realgewordenen Freizeit- und Ausflugstipps der Regionalzeitungen verbringen, abends vielleicht mal ein schickes Essen mit Freunden oder ein Kinobesuch. Man „macht nicht so lange“. Schließlich sind die Kinder ja am nächsten Morgen früh wach, der Montag naht außerdem und da will man ja schließlich ausgeruht sein um die Karriere voranzutreiben. Wenn man an so einem geselligen Abend mit den selbstverständlich gleichaltrigen und ebenfalls familiär denkenden Freunden zusammensitzt, erinnert man sich gerne an die alten Zeiten. Als man noch young, wild and free war. Als man mit der Straßenbahn im Morgengrauen nach der Party in der Bahnhofsbrache nach Hause fuhr und die anderen Fahrgäste auf dem Weg zur Frühschicht waren.
 
Genauso wie uns die Gesellschaft vorschreibt, was wir in welchem Alter tun sollten, erklärt sie uns auch sehr gerne, was wir eben NICHT tun sollten. Hotpants tragen zum Beispiel. Oder tiefe Ausschnitte. Sieht scheiße aus, sagen die Arschlöcher. Das haben Frauen in unserem Alter ja schließlich auch gar nicht mehr nötig, sagen die Pseudo-Arschlöcher.
An Sonntagen das Haus nicht verlassen und ungekämmt im Einteiler auf dem Sofa gammeln. Halloo? Du hast Kinder. Reiß dich mal ein bisschen zusammen. Was bist du für ein Vorbild. Seize the Day, du unfähiges Leben! Guten Tag Generation Burn-Out.

Wie dem auch sei. Ich habe aus meinem dreißigsten Geburtstag keinen großen Hehl gemacht. Also sicher, wir haben gefeiert – das versteht sich von selbst. Eine nette Party mit Familie und Freunden, bei der wir zu fortgeschrittener Stunde überlegten, selbst das Krippenspiel auf der Ortspyramide nachzustellen. Ich wollte Maria sein. Aber dieses Wuuuhuuu-Pflicht-Frustgeheule à la „Jetzt bin ich sooo alt, ich bitte dringlich um Notschlachtung!“ wäre mir im Traum nicht eingefallen.

Ich will ehrlich sein: auch ich musste nach meinem Dreißigsten feststellen, dass es, um den eigenen Körper zumindest durchschnittlich ansehnlich vor dem Verfall zu schützen, mehr bedarf als Hungertage in unregelmäßigen Abständen (meistens Montags nach verfressenen Wochenenden) und die Bewegung zwischen Wohnzimmer und Küche. Aber so what. Das sind natürliche Prozesse, die wohl eng mit der Tatsache korrelieren, dass der Mensch aus organischem Material besteht. Der einsame Apfel in der Obstschale auf meinem Küchentisch sieht in seinen späteren Tagen auch nicht mehr so appetitlich aus.

Worauf ich hinaus will: wenn man erstens bestimmter gesellschaftlicher Erwartungshaltungen gegenüber resistent ist und zweitens natürliche Reifeprozesse akzeptiert, lässt sich mit einer Drei im Zehner gut leben. Ist man auf diese Art mit sich selbst im Reinen gelingt es einem sogar, diesem Alter seine Vorzüge zu entlocken.

Kürzlich stieß ich im sozialen Netzwerk auf einen Artikel, der seine Leser von der besonderen Eignung bestimmter Sexstellungen für Menschen fortgeschrittenen Alters, überzeugen wollte. Fortgeschrittenes Alter ist gleich „nicht mehr jung“ ist gleich „ab 30“. 
Ich habe mir dieses Machwerk eines Schubladen-Genies schon aus Protest nicht genauer angeschaut, kam allerdings zu einigen Überlegungen, warum Sex jenseits der 30 das Zeug hat, qualitativ in einer viel höheren Liga zu spielen.

Die nun folgenden Erkenntnisse und Denkansätze verlangen eine positive Grundeinstellung zu Sex im Allgemeinen. Hört sich ziemlich überflüssig an, solch eine Erläuterung, denkt nun hoffentlich der Großteil meiner Leser. Erst neulich wurde ich allerdings mittels Kommentarspalten-Unfall mit genau der gegenteiligen Betrachtungsweise konfrontiert. Eine junge Frau erzählte einem Frauenmagazin von ihrer Leidenschaft für Sex zu Dritt. Prompt eröffneten die underfuckten Selfmade-Muddis eine Hexenjagd. Die Gruppe, gerade von Frauen, für die Geschlechtsverkehr ab einem gewissen Alter zu etwas Primitivem wird dass entweder nur Tiere betreiben oder Teenager mit zu viel Freizeit, scheint größer zu sein als man denkt.

Stellt man Sex also nicht mit Festivals und Fastfood in die „Dafür-bin-ich-zu-alt“-Vitrine, erlauben es einem die folgenden Erkenntnisse, sein Intimleben auf wertvolle Weise zu optimieren:

Wir sind Cupcakes – keine Baguettes!
Spätestens mit 30 hören wir endlich auf, uns den Körper zu wünschen, den wir NICHT haben und lieben was wir SIND. Das ermöglicht uns nämlich den besten Sex unseres Lebens. Wir gehören nicht mehr zur Zielgruppe „Germanys Next Top Modell“ oder GLAMOUR. Wir brauchen keine Schönheitsideale. Wir sind im Einklang mit uns und wissen, dass es im Leben um mehr geht als Innenschenkelfett. Wir sind Cupcakes, keine Baguette-Stangen. Wir sind weich, klein, rund, saftig und süß. Niemals lang, dünn und spröde mit einer Oberfläche an der man(n) sich Schürfwunden holt.
Und wir wissen mittlerweile, wie man einen Mann so um den Verstand bringt, dass er gar nicht in der Lage ist, Dellen im Hintern wahrzunehmen. Ja, sie sind da. Aber WHO CARES, BITTESCHÖN? 
Wer Zeit hat, beim Sex an seine Fettpolster zu denken hat SCHLECHTEN SEX. Fakt. Wir brauchen kein Fellatio-Tutorial oder Sex-Stellungs-Update. Wir haben es einfach drauf. Weil Sex nämlich wie Eiskunstlaufen ist, keiner geht aufs Eis und läuft die Kür auf Anhieb fehlerfrei. Übung macht den Meister, ihr wisst schon.


Abends Hure – morgens Königin
Völlig ohne Fremdeinwirkung wissen wir jetzt außerdem genau, was wir wollen und was wir NICHT wollen. Und noch besser: wir wissen auch WIE wir kriegen was wir wollen. Das Zauberwort heißt REDEN. Mit Dr.Sommers Strategie „Führe seine Hand dorthin wo du sie gerne hast“ kommt man bzw frau recht schnell an seine/ihre Grenzen wenn es exotischer werden soll. Versteht das nicht falsch, ich rede hier nicht unbedingt gleich von Partnertausch, Swingerclub und Gangbang. Ich meine zum Beispiel Rollenspiele. Wir finden uns auch nicht mehr gestört oder abartig, wenn wir uns unterwerfen wollen oder uns die Lust eher nach dem dominanten Part steht. Denn wir wissen mittlerweile, dass man die Rollen beim Sex auch wunderbar vom wahren Leben trennen kann. Der Mann, der uns am Abend gefesselt, gepeitscht und um den Verstand gefickt hat, wird uns am nächsten Morgen ausschlafen lassen und den Frühstückstisch decken. Weil auch Männer in diesem Alter endlich verstanden haben, wie die Sache wirklich läuft. 

Fortsetzung folgt.... HIER KLICKEN

Hausaufgabe: Punkt 1 und 2 verinnerlichen, nächsten Mittwoch gibt es Punkt 3 bis 5. Bis dahin, viel Spaß beim (ver)naschen (lassen) meine lieben Cupcakes und Liebhaber dieser sündhaften Süßspeisen.
Wer die Fortsetzung des Ü30-Sex-Upgrades nicht verpassen will, der abonniert mich am besten auf Facebook oder direkt hier im Blog-Lehrerzimmer.

LUST AUF NOCH MEHR SEX-KRAM?
Ihr wollt noch mehr philosophisch-schlüpfriges aus Frau Müllers Hirn und Tastatur? Alle Links zu den Artikeln des SchMärz 2017, einem Monat in dem sich alles um Dominanz und Unterwerfung drehte, findet ihr unter DIESEM ARTIKEL: Der SchMärz ist da...

Oder interessieren euch die Erfahrungen der Müllers rund um ihre Vierecks-Beziehung. Alle Links der "Friends with Benefits"-Reihe findet ihr unter DIESEM ARTIKEL: Friends with Benefits - Das RESÜMEE 



Mittwoch, 19. April 2017

Monster-Mom: Kindertuning bis zum Burnout



Eltern nerven mich eigentlich immer. In letzter Zeit jedoch besonders und immer mehr. Und weil ich nicht möchte, dass der kritische Leser zu dem falschen Schluss gelangt, ich ziehe alles und jeden durch den Kakao und mag eigentlich nur Schwule, Einhörner und mich selbst, fange ich direkt bei mir an. Weitere Artikel zum Thema "Eltern-Abrechnung" werden folgen...
  
Ich war früher eine völlig bescheuerte Mutter. Schon in der Schwangerschaft mit dem großen Müller habe ich damit begonnen, über wirklich alles nachzudenken, was irgendeinen Einfluss auf den Fötus in meinem Bauch haben könnte.
 
Zum Beispiel zog ich allabendlich gedanklich Ernährungsresümee. Ich fühlte mich schlecht, wenn ich einen Teil der „Schwangerschaftsoptimierten-Ernährungspyramide zur Anzucht eines maximal gesunden und intelligenten Kindes“ nicht ausreichend berücksichtigt hatte. Oh mein Gott, zu wenig „Synapsen-Optamin“ oder weiß der Geier was in meinem Mittagessen gefehlt hat. In Ratgeber XY stand, dass das besonders wichtig ist. Es wird für das Ungeborene wahrscheinlich nur zum Hauptschulabschluss reichen. Das Urteil lautet "Schuldig".

Während der Stillzeit setzte sich dieser Gedanken-Irrsinn fort. Aus der „Stillen nach Bedarf“-Empfehlung der Hebamme machte ich Stillen nach Stundenplan. Ort und Zeit legte ICH fest. Der kleine Müller hatte natürlich öfters mal so gar keine Lust aufs Brüste-Boot-Camp. Wahrscheinlich schmeckte er die Stresshormone raus. Mütter, die nicht oder nicht lange genug stillten waren für mich egomanische verachtenswerte Individuen. 
Mein anschließendes Studium über entwicklungs-proximale Beikost und nachfolgend Familienkost erwähne ich hier nur am Rande.

Aber nicht nur das Essen hätte ich am liebsten handgeklöppelt. Der Kauf jedweden Spielzeugs wurde sorgfältig mit der damals angehenden Förderpädagogin in mir abgewogen. Ich kaufte an Weihnachten und Geburtstagen alle Geschenke selbst und verteilte diese dann an sämtliche Tanten, Onkels, Omas und Opas.
Einzig mein Bruder machte mir einmal einen Strich durch die Rechnung als er MEINEM Kind zum ersten Geburtstag einen Miniatur-Spielzeug-Panzer schenkte. Der wurde natürlich erstmal ganz weit weg gepackt. In Kisten, die kein Kleinkind je zu öffnen vermag.

Der Irrsinn gipfelte als ich einmal zu meiner Schwiegermutter, die um mir Jung-Mama Arbeit abzunehmen, ein paar Kinder-Kleidungsstücke selbst mit gewaschen hatte. Ich sagte, dass das zwar lieb sei aber ich alles noch einmal waschen werde, da ich es nicht mag wenn mein Kind nach fremden Waschmittel riecht.
Die Arme. Und so hat sie mich auch angekuckt. Hab ich damals natürlich gar nicht mitbekommen. Ich war ja viel zu beschäftigt damit, die Entwicklungsschritte meines Kindes minutiös zu überwachen.

Herr Müller durfte zu alle dem natürlich nichts sagen. Der hatte ohnehin keine Ahnung, schließlich hatte er sich nur „weitergebildet“ wenn ich ihn dazu nötigte und ihm Broschüren und Bücher in die Dienstreisetasche packte. ICH war die Mutter UND Fast-Pädagogin, das Kind war MEIN Projekt. In meinem Mutter-Kind-Kosmos war er streng genommen zu viel und so etwas wie ein „Paar“ gab es nicht mehr. Oder doch. Mein Kind und ich.

Nach anderthalb Jahren als selbsternannte Mutter aller Mütter hatte ich im Rahmen einer Kur (selbstverständlich MIT Kind) erstmals Kontakt mit einer Psychologin. „Überreflektiert“ nannte sie mich. Damals war ich noch stolz drauf weil ich nur die Hälfte kapierte. Heute weiß ich, dass das ganz schön gefährlich sein kann. Zugegeben, Selbstreflexion ist nicht jedermanns Stärke. Aber ein Zuviel davon führt in einen Teufelskreis aus Selbstzweifeln.

Beim kleinen Müller wiederholte sich das Schauspiel. Nachdem ich meine tiefe Verzweiflung und Wut überwunden hatte, vom Leben so benachteiligt zu werden und gleich zwei Jungen zu bekommen - So hab ich gedacht, heute schäme ich mich dafür - wo doch das perfekte Bild in meinem Kopf eigentlich einen großen Bruder samt kleiner Schwester beinhaltete, startete ich Nachwuchs-Optimierung Part 2. 

Die Tatsache, dass ich meine Aufmerksamkeit und Kräfte jedoch zwischen beiden „Kinder-Baustellen“ teilen musste, nagte an mir. Wollte ich morgens um halb sieben mit Neun-Monats-Wampe im Sandkasten hocken weil der große Müller sich das von seiner engagierten Mutter so wünschte, konnte ich dem Fötus keine gute Mutter sein, die ihrem Körper die vom Baby benötigte Ruhe gönnte. Forderte der Mini in seinem „Nest“ nachmittägliche Ruhe ein, konnte ich dem Maxi nicht das täglich notwenige Abitur-vorbereitende Förderprogramm zuteilwerden lassen. Und wieder SCHULDIG!

Als der zweite Müller ein knappes Jahr alt war, hielten die Menschen um mich herum und ich mich selbst nicht mehr aus. 
Station 1: meine Flucht mit dem Kinderwagen. Und alle so: "Irgendwas stimmt mit ihr nicht!"
Station 2: Notbremse Hausarzt. Erziehungsurlaub Herr Müller.
Station 3: Innerhalb der Sitzungen beim Psychotherapeuten lernte ich, warum ich so geworden bin wie ich war. Als Teenager hatte ich eine Essstörung (von der ich bis zum Beginn der Therapie geglaubt habe, sie selbst geheilt zu haben WEIL sich gute Mütter schließlich unter Kontrolle haben). Mein Wunsch, die Kontrolle zu BEhalten und gleichzeitig Anerkennung zu ERhalten war der unterbewusste Antrieb.
 
Darauf, woher dieser Wunsch kam, möchte ich hier nicht weiter eingehen. Als ich dann Mutter wurde, verkleidete sich meine Essstörung. Sie versteckte sich in Eltern-Ratgebern, Nährstoff-Tabellen, pädagogisch- und ökologisch wertvollen Spielzeugkatalogen und Pekip-Kursen. Der Wunsch nach Kontrolle und Anerkennung blieb der gleiche. Und der Drang danach ALLES kontrollieren zu wollen hatte mich noch vor meinem dreißigsten Geburtstag in eine Überlastungsdepression, besser bekannt als Burnout, getrieben. Ich grollte gegen alles und jeden, war selbstgerecht und gleichzeitig traurig und kraftlos.
 
Heute geht’s mir gut, meistens zumindest. Den Müller-Jungs samt Herrn Müller übrigens auch. Ja, er ist bei mir geblieben. Verrückt, oder? Ich muss ein klein wenig sentimental werden. Ich bin ihm sehr dankbar. Ohne ihn hätte ich das alles gar nicht angepackt und wäre wahrscheinlich immer noch so „drauf“ wie damals.

Was ist aus den Müllerkindern geworden? Der große Müller ist unser Nerd. Liebevoll auch Sheldon genannt. Als sogenannter Under-Achiver macht er uns das Eltern-Leben nicht immer leicht. Dennoch ist er unglaublich empathisch, so gar nicht wie Sheldon. Das liebe ich besonders an ihm. Er hasst Gemüse (obwohl ich mir doch soo viel Mühe gegeben habe beim Brei kochen .. oder vielleicht gerade deshalb). Die Neigung, auf das eigene Recht zu bestehen, hat er wohl von mir. 
Der kleine Müller steht mit der Schule (noch) nicht so auf Kriegsfuß. Seine Art zu nerven, wenn er etwas möchte, fällt unter das Waffengesetz und trotzdem weiß er wie er mit Charme jeden Kriegsverbrecherprozess für sich entscheidet. Mal Diva und mal Don Juan ist er ein echter Charakterkopf.
 
Ich liebe beide, genauso wie ich sie damals liebte. Heute brauche ich aber nichts mehr, mit dem ich meine Mutterliebe definiere. Sie ist einfach da.
 
Kreativität ist überall - man muss sie nur sehen
Ein Abendessen vor dem Fernseher (und kein Tisch-Spruch inklusive Anfassritual), 
eine Polizei-Reality-Doku am Nachmittag (kein zweistündiges Kreativ-Knetmasse-Programm am Küchentisch), 
Mc Donalds nach dem Schwimmbad (keine CO2-freien Bio-Apfelschnitze), 
ein Sonntag im Schlafanzug (anstelle eines Familienspaziergangs) und eine High-End-Schaumstoff-Pfeil-Pistole vom Wunschzettel des Herzens (statt nachhaltige Holzbausteine)
– das alles gibt’s bei Müllers. Mal mehr mal weniger. Und alle sind GESUND und glücklich. Das ist was zählt.

All das macht ein Kind später nicht zum Kriminellen oder Schulabbrecher. Ich hab als Teenager jeden Nachmittag Talkshows gekuckt und mir selbst Fertignudeln gekocht während meine Eltern arbeiteten. Und hey, ich habe Familie, einen Studienabschluss, einen unbefristeten Arbeitsvertrag und keine Allergien. Außerdem bin ich nicht vorbestraft. Ich bin auch nicht bindungsunfähig weil ich genau wie die Müllerkinder schon früh fremdbetreut wurde. Ich bin seit über 15 Jahren mit Herrn Müller glücklich.

Ich möchte damit weder sagen, dass engagierte Mütter alle Fälle für den Psycho-Doktor sind, noch dass bestimmte Aufwachsbedingungen für eine gesunde Entwicklung keine Rolle spielen. Auch wir lesen vor, helfen bei den Hausaufgaben und kaufen nicht nur Weißbrot und Ketchup ein.

Weiterhin möchte ich MICH nicht als das mütterliche Non-Plus-Ultra verkaufen. Eingangs schrieb ich „ich war mal eine völlig bescheuerte Mutter!“ Ich bin mir nicht sicher, ob das heute nicht immernoch so ist. Wenn dann aber definitiv „anders bescheuert“.
Nur eins will ich damit sagen: Mütter, zieht euch endlich den Stock aus dem Arsch!

Mehr (hobby)psychologische Weisheiten nebst unterhaltsamer Alltagsabsurditäten (manchmal auch als Mutter) gibt's bei Frau Müller auf Facebook.

Mittwoch, 12. April 2017

Grillende Feierabend-Misanthropen, Gestaltenvielfalt und garnierte Pflastersteine - Braucht man eigentlich Streetfood?


Es handelt sich hier wieder einmal um einen sehr nützlichen Sommerloch-Artikel, der Eigenwahrnehmung und wertvolle Verbraucherinformationen klar voneinander abgrenzt. Nicht.

Essen und Draußen, das ist ja irgendwie so das Ding vieler Menschen. Kaum erlauben es die Temperaturen, dass der Ketchup zum Steak nicht auf dem Teller gefriert, wird vor der Höhle das Feuer entfacht und schon tagt der Zentralrat der Grillrostgourmets. Beim Garen über Glut oder Gas sind alle Ernährungsgesinnungen friedlich vereint. Waffenstillstand im kalten Krieg zwischen Discounterfleisch-Armee und Vegiwurst-Guerilla. Im Angesicht der Glut sind alle Formfleisch-Teile gleich. Egal ob Soja oder Hack-Tier. Hauptsache angekokeltes Essen. Und unter freiem Himmel. Ganz wichtig.

Ob in der Küche oder unter freiem Himmel: abgesehen von ein paar Nostalgikern wurde wohl mittlerweile der Großteil aller Mindestmaß-Denker über hinter vorgehaltener Grillzange geröstete Zucchini-Scheibchen mit einem erweiterten Ernährungshorizont infiziert. Experimentelles Grillen ist Teil eines Hypes rund ums Essen, der nicht selten schon absurde Züge annimmt. Was bezüglich Nahrungsmittel und ihrer möglichen Kombinationen absurd ist, erscheint mir allerdings äußerst subjektiv. Für mich persönlich beginnt es schon bei der Rezeptur einiger (grüner) Smoothies oder ekligem Getreide-Schleimin Rotzkonsistenz, der mittels Früchten irgendwie zu etwas Essbaren verkleidet werden soll. Okay, so allmählich verzettel ich mich.

FoodTrends sind der heißeste Scheiß: Low Carb, Detox, Superfood, Hybrid-Food, Soulfood und wie sie nicht alle heißen. Jeder findet wohl etwas, das er mit seinen Essens-, Koch- und Einkaufsgewohnheiten vereinbaren kann. Davon verspricht sich Mensch dann maximales Wohlbefinden, ewiges Leben und seelische Erleuchtung. Vielleicht auch einfach nur weniger Dellen im Hintern. Schon wieder verzettelt. Wie auch immer: Essen ist nicht mehr nur Nahrungsaufnahme zum Zwecke des Überlebens sondern Lifestyle. Und weil auch die Müllerin nicht immer trendresistent ist, zuweilen sogar überzeugt ist, selbst welche zu kreieren, hat sie sich einen solchen Foodtrend selbst angetan:

Streetfood, zu deutsch „Straßenfresserchen“, trifft die UrbanGrillers mitten ins Herz. Das Ganze deklarieren die Veranstalter gerne gleich als Festival, denn das weckt die rebellischen Wochenendaussteiger in uns. Während man nämlich früher gerne drei Tage nicht geduscht und sich ausschließlich von Dosenravioli ernährt hat, lässt sich der Kinderwagen von heute eher schlecht durch die Zeltstadt vier Kilometer hinter der Hauptbühne manövrieren. Also rumpelt der Erstgeborene des früheren Crowdsurfers heute auf dem Kiddyboard übers Streetfood-Festival. Und alle fühlen sich dabei furchtbar hip. Hurra, wir essen. Draußen. Yeah.

Profi- und Hobbyköche aus aller Welt kommen also entweder mit Fuhrpark oder citytauglicher Campingausrüstung in die Stadt gerollt und wollen dort Mamas Hausrezept an den Hipster bringe. Frittiertes Bounty, langsam gegartes Faserfleisch vom Ringelschwanz und Würstchen im Pommesmantel feiern mit der Vegiwurst friedliche Kooexistenz. Wenn die ganze Welt ein Streetfood-Festival wäre, gäbe es wohl keine Kriege. Essen unter freiem Himmel hat scheinbar einen hohen Befriedungs-Effekt.

Das war’s allerdings auch schon. Ich will ehrlich sein: solche Veranstaltungen sind nichts für Feierabend-Misanthropen wie mich, besonders bei schönem Wetter. Sarah bringt das Problem des Abends auf den Punkt, als wir am zweiten tooodschicken Büdchen mit megastylischer Außenwerbung zwanzig Minuten für Süsskartoffelpommes anstehen: 
„Können wir nicht einfach zum Griechen geeeeehn????“ 
Ja, könnten wir. Wir könnten uns bei diesem wunderbaren Wetter in den Biergarten setzen, der dank des Festivals menschenleer war und uns dort fürstlich bedienen lassen. 
Stattdessen stehen wir in einer Schlange voller Frauen. Ja, es war der vegane Foodtruck – neudeutsch für ein größeres Kfz mit Kochstelle und Verkaufsklappfenster. Vor uns Damen jenseits des Lebenszenits, hinter uns offenbar Schülerinnen, die sich nicht entscheiden können, ob sie ins Kino gehen oder sich Trend-Pommes leisten wollen. Richtig, Streetfood ist teuer. Aber ihr Weltverbesserer wolltet doch Pommes aus glücklichen Kartoffeln.

An dieser Stelle offenbart sich abgesehen vom kollektiven Freiluft-Spaß noch eine weitere Gemeinsamkeit zwischen temporären Fressbuden-Dörfchen und oben erwähnten parallelgesellschaftlichem Musikgenuss im Matsch. Wenn man es nämlich tatsächlich durchhält, dem Gelage ganz im Sinne eines Festivals ein volles Wochenende beizuwohnen, dann bemisst sich die Gesamthöhe der getätigten Investitionen in etwa auf der eines All-Inklusive-Rock-am-Ring-Tickets mit High-End-Line-up. Allerdings hat man dann gustatorisch auch eine kleine Weltreise zurückgelegt.

Wie dem auch sei: Streetfood in Kombination mit dem ersten sonnigen Wochenende des Jahres führt bei mir zu gefährlicher Übermenschung. Da lob ich mir die von Sarahs Privatbauern-Connection selbst gewolfte Rostbratwurst  vom Kugelgrill auf meiner Terrasse in wohltuender Einsamkeit. Ich empfinde es als Zumutung, mir die Welt mit manchen Menschen teilen zu müssen und so ein Trend, der Großstadtflair in den kleinstädtisch eingeschränkten Genpool holt, hat hohen Aufforderungscharakter für Personen aus allen Kategorien meines Kuriositätenkabinetts. Ich sage nur Gestaltenvielfalt. Leider findet das Kollektiv-Gelage dann auch noch zu einer Tageszeit statt, zu der Kinder nicht zwingend ins Bett gehören.

Wenn man das Glück hat, einen der seltenen Stehtische zu erobern - wo Tische stehen, passen keine Menschen hin, scheint sich der Veranstalter gedacht zu haben kommt man sogar unter Ausschluss des Asphalts in den Genuss seines Pastrami-Sandwichs oder dem Burger mit dem amerikanischen It-Fleisch. Pulled Pork, das ist Fleisch wie in Frau Müller Seniors Gulasch. Es zerfällt im Mund ohne kauendes Zutun und dank seiner zahnzwischenraumfreundlichen Fasrigkeit sorgt es für anhaltende Freude.

Mangelnde Sitzmöglichkeiten stehen übrigens auch bei Marco, der an diesem Abend dank kürzlichem Sportunfall mit Krücken unseren Behinderungsbeauftragten mimt und die Barrierefreiheit checkt, ganz oben auf der Mängelliste. Mit beidseitiger Gehhilfe isst es sich Schlabber-Burger eher schwierig im Stehen. Bei der Rückgabe der Pfandgläser verschafften ihm die Teile allerdings einen echten Mitleids-Bonus in der Warteschlange.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich finde die Idee der Streetfood-Enthusiasten an sich nicht schlecht. Und sind wir doch mal ehrlich: 
Auch wenn die Preise im ersten Moment astronomisch sind: Wieviel kostet denn ein besserer Retorten-BURGER unter dem goldenen M? Eben! 
Und ich meine: Halloooho. Der tätowierte Latino im Tanktop sieht recht glücklich aus beim multikulturellen Rindfleisch brutzeln. Ganz im Gegensatz zu Carsten in seiner Frittenuniform hinterm Franchise-Tresen. Das ist mir das Geld wert.

Dass ich allgemein inkompatibel bin für Veranstaltungen mit einer bestimmten Menschendichte pro Quadratmeter ist nicht die Schuld der Veranstalter. Und schließlich bin ich ganz insgesamt ein Fan von „Mal-über-den-Tellerrand-gucken“. Muss ja nicht immer gleich die Gayparty oder eine Gruppenmasturbastion unter Vertriebsmitarbeitern sein. Internationale Essenstrends genügen auch.

Also macht das ruhig mal. Geht am besten am Monatsanfang und bei Regenwetter zu solch einem Event. Esst vorher nix, zieht euch flache Schuhe an, steckt Feuchttücher ein, nehmt nen Melkschemel mit, trinkt euch auf dem Hinweg schon einen an und sorgt im Anschluss für ausreichend Ruhe, um das Fresskoma auszukurieren. Guten Appetit wünscht Frau Müller, die gerade sehr entspannt alleine auf dem Sofa Tomatensalat mit mittelamerikanischer Avocado isst...

Mehr völlig objektiv unallltäglich Alltägliches aus
Absurdistan, der MüllerMansion oder anderen 
nicht minder spektakulären Quellen gibts auf