Im letzten Artikel ging es um die Schattenseiten des Elterndaseins und einen toleranteren Umgang zwischen Befürwortern und Gegnern der über Paarbildung hinaus erweiterten Familienplanung.
Die Reaktionen waren wider Erwarten zum einen ziemlich überwältigend und zum anderen auch noch durchweg positiv. Setzt mich doch nicht so unter Druck!
Wer also nach der Lektüre von letzter Woche noch eine Entscheidungshilfe zur Frage "Mom or not Mom" benötigt, dem lege ich den heutigen Text besonders ans Herz...
Was ist der Unterschied
zwischen Kindergeburtstagen und Elternabenden? Beim Kindergeburtstag ist man
nur als Gastgeber am Arsch.
Stellt euch nur vor, ihr seid Pazifist
aus tiefstem Herzen und vollster Überzeugung. Eine absolut übernatürliche Macht
zwingt euch jedoch dazu, als Kämpfer in beiden gegenüberstehenden Heeren aufs
Schlachtfeld zu treten. So geht es mir an Elternabenden.
Nehmen wir zunächst die
Gastrolle an, eine Rolle in die vermutlich alle Eltern eines schulpflichtigen
Kindes schon öfters per Zettelchen im Hausaufgabenheft gezwungen wurden. Elternabende
sind wie Schlussverkäufe, allerdings ist die Saison nicht bundesweit sondern
regional festgelegt. Das führt dazu, dass jedes Jahr kurz nach den Sommerferien
und rund um Ostern der Ausnahmezustand eintritt, nicht nur parkplatzbedingt vor den Schulen.
Wenn
man mehr als ein Kind hat und vielleicht selbst noch per Arbeitsvertrag in die
Elternabend-Gastgeberrolle genötigt wird, spitzt sich die Lage zu.
Rücksichtslose Schulen
planen diese Veranstaltungen zu einer Zeit, zu der man vorher weder etwas
essen, geschweige denn einen Feierabendprosecco trinken konnte weil man vor 15
Minuten noch den eigenen Arbeitsplatz fluchtartig verlassen hat. Das führt
einerseits zu gesteigerter Anspannung des Einzelnen und wenig
Gesprächsbereitschaft der Gruppe, andererseits sorgt es auch dafür, dass der
Horror günstigstenfalls ein schnelles Ende hat, weil alle möglichst schnell in
ihre Jogginghose wollen.
Wenn man großes Glück hat,
kann man in die Schule laufen. Nicht so großes Glück hat man, wenn der nach acht
Runden Suche gefundene Parkplatz so weit von der Schule entfernt ist, dass man
hätte auch direkt laufen können. Man schüttelt der an der Tür wartenden Lehrerin pflichtfreundlich lächelnd
die Hand, tritt ins Klassenzimmer, stellt fest, dass alle hinteren Plätze schon
besetzt sind und fragt sich nebenbei angesichts der unangenehm vielen Menschen
im Raum, ob jedes Kind der Klasse vier Elternteile hat.
Also setzt man sich ganz
vorne hin, an den einzigen Tisch mit einem ziemlich unaufgeräumten Stapel
Blätter und Hefte im Korb unter der Bank. Die Lehrerin kommentiert die
Sitzplatzwahl mit den lustigen Worten: „Ach, sie sitzen am Tisch ihres Kindes.“ Bäääm,
ja seht alle her. Hier ist die Mutter, die als letztes kommt und ihrem Kind keine
Ordnung beigebracht hat. Außerdem muss ihr Satansbraten ganz vorne sitzen, weil
er hinten nur Scheiße baut.
Mir ist diese Sitzordnung immer noch lieber als
diese großen zusammen geschobenen Tische, an denen man wie bei einer Konferenz
den anderen ins Gesicht schauen muss. Der Mutter im Kostümchen, die einerseits
wirkt wie frisch vom Friseur und andererseits als hätte sie erst vor drei
Minuten ihren Bankschalter geschlossen, wird das Zuspätkommen entschuldigt weil sie beim letzten Elternabend die Erlöserin aller spielte und sich als
Elternsprecherin anbot während alle anderen Löcher in ihre Hände starrten oder
angestrengt ihren Kuli kaputt bauten.
Nach dem obligatorischen
Schwanzlängenvergleich unter Schulkindmüttern vor der aushängenden Liste mit den
Fleißsternchen folgt günstigstenfalls ein etwa 90 minutiger Monolog einer
Pädagogin, die sich bemüht an einigen Stellen einen
verschwörerisch-kumpelhaften Tonfall hinzukriegen, der vermutlich auflockern und irgendwie
förderlich für die Zusammenarbeit der erwachsenen Bezugspersonen sein soll. Es
folgen Unmengen Erklärungen und Informationen, die die Umsitzenden alle
motiviert mitprotokollieren. Man selbst schreibt sich allenfalls mit einem fix geborgten Schreibgerät die Termine auf einen Notizzettel mit Handtaschenpatina, von dem man genau weiß, dass er ohnehin noch vor dem
dritten anstehenden Termin verschwunden ist. Zum Glück sind Lehrer auch nur
Menschen (und oft Mütter) und sorgen dafür, dass alle Highlights pünktlich im Hausaufgabenheft
stehen. Ich vermute, auch sie verschlampen regelmäßig das „Elternabendprotokoll“
ihrer eigenen Kinder.
Wenn alles gut läuft, wachen alle pünktlich zu den Worten „So,
dann wäre es das eigentlich schon, wenn sie keine weiteren Fragen haben.“ wieder auf und folgen ihrem Hunger
zu McDonalds oder an den heimischen Abendbrottisch. Ein paar Ausnahmen, die der
Lehrerin im Anschluss noch ein Gespräch abnötigen, nicht mitgerechnet.
Worstcase tritt ein, wenn
sich Hände erheben auf die Frage nach den Fragen. War man bis zum Punkt, an dem
jemand ein Smiley-Bewertungssystem mit täglicher Auswertung für’s Schulmittagessen
fordert, noch abwesend aber freundlich weil man weiß, dass niemand sein Kind
gerne zum kranken Kind der Arschlochmutter fährt um die Hausaufgaben vorbei zu
bringen, fällt es einem jetzt schwer, die bisher erfolgreich unterdrückte
Misanthropie noch im Verborgenen zu halten. Während sich die Eltern in den
folgenden 45 Minuten über Sinn und Unsinn von Bulgur, Couscous und Sojageschnetzeltem
in der Schulspeisung streiten, folgt man selbst aufmerksam dem Sekundenzeiger
der Wanduhr. Selbst der Lehrerin ist die Begeisterung über diese Diskussion
deutlich anzusehen.
Nachdem sich alle mehr oder
weniger im Einvernehmen darauf geeinigt haben, dass alles so bleibt wie es ist,
ruft es im gerade aufkeimenden Aufbruchstumult: „Ach ja, äähm, ich wollte
nochmal fragen, wie das mit der Klassenfahrt und der Anreise ist? Ein Bus ist
doch nicht nötig. Wir könnten doch Fahrgemeinschaften bilden und die Kinder
selbst hinbringen.“
Schlagartig wird der Rückzug gen heimischer Küche unterbrochen und alle sitzen wieder. Aus dem Gesicht der Lehrerin weichen die letzten wohlwollenden Gesichtszüge. In neuerlichen 45 Minuten Diskussion, wie denn alles zu organisieren sei, höre ich mich selbst reden: Jetzt macht euch doch mal locker, ihr elenden Glucken. Habt ihr schon mal daran gedacht, dass der Abschied am Bus und die anschließende Busfahrt zum Klassenfahrtgesamterlebnis gehören? Mein Gott, sitzt ihr auch an der Bettkante wenn euer geliebter Sohnemann am Morgen nach dem ersten feuchten Traum verstört auf den nassen Fleck in seiner Schlafanzughose kuckt?
– natürlich sage ich nichts, 180 Minuten fragwürdig verwendete Lebenszeit haben mir die Kraft dafür geraubt. Konsens der Diskussion: Natürlich bildet man Fahrgemeinschaften und lässt den Kennenlernabend mit einem gemeinsamen Lagerfeuer ausklingen. Herr, reiß die Erde auf!
Schlagartig wird der Rückzug gen heimischer Küche unterbrochen und alle sitzen wieder. Aus dem Gesicht der Lehrerin weichen die letzten wohlwollenden Gesichtszüge. In neuerlichen 45 Minuten Diskussion, wie denn alles zu organisieren sei, höre ich mich selbst reden: Jetzt macht euch doch mal locker, ihr elenden Glucken. Habt ihr schon mal daran gedacht, dass der Abschied am Bus und die anschließende Busfahrt zum Klassenfahrtgesamterlebnis gehören? Mein Gott, sitzt ihr auch an der Bettkante wenn euer geliebter Sohnemann am Morgen nach dem ersten feuchten Traum verstört auf den nassen Fleck in seiner Schlafanzughose kuckt?
– natürlich sage ich nichts, 180 Minuten fragwürdig verwendete Lebenszeit haben mir die Kraft dafür geraubt. Konsens der Diskussion: Natürlich bildet man Fahrgemeinschaften und lässt den Kennenlernabend mit einem gemeinsamen Lagerfeuer ausklingen. Herr, reiß die Erde auf!
Elternabendtaugliches Statement-Shirt für Gast und Gastgeber gleichermaßen. Gibt's bei Coffeepotdiary. |
Die Grundschullehrerin des
großen Müllers bot zu den Elternabenden übrigens immer Getränke und Knabbereien
an. Lustig, wie sich immer zunächst niemand an die bereitstehende Sektflasche
traute, die wenig später aber trotzdem geradezu wie von Zauberhand leer war, nachdem ich sie
geöffnet hatte. Auch wenn ich der Lehrerin dankbar bin für diese großzügige
und rücksichtsvolle Geste, käme ich selbst nicht auf die Idee, als Gastgeber
solch eine Bewirtung anzubieten. Am Ende fühlen sich die Leute noch wohl und
bleiben womöglich länger.
In meiner Rolle als Lehrerin sehe die
Anzahl der teilnehmenden Eltern immer recht ambivalent. Halten wir uns vor
Augen: ich arbeite an einer Förderschule. Nehmen viele Eltern teil,
muss ich zwar hinterher gut lüften und die Gefahr einer Sinnlosdiskussion über
das unpädagogische Vorgehen nicht anwesender Fachlehrer, welche von mir im Keim
erstickt werden muss steigt, andererseits lassen sich vielen dieser Eltern
gesprochene Worte leichter nahe bringen als geschriebene. Der Satz "Das habe ich doch zum Elternabend gesagt!" kann gut zwei Drittel aller im Schuljahr seitens der Eltern anberaumten Gespräche auf ein zeitliches Minimum verkürzen.
Alle Eltern kommen ohnehin nie. Es gibt sie immer, die BigFoot-Moms, die trotz eindeutiger Hinweise auf ihre Existenz nie ein Mensch zu Gesicht bekam.
Alle Eltern kommen ohnehin nie. Es gibt sie immer, die BigFoot-Moms, die trotz eindeutiger Hinweise auf ihre Existenz nie ein Mensch zu Gesicht bekam.
Kommen sehr wenige Eltern,
hat das ganze Szenario sehr wahrscheinlich ein schnelles Ende, allerding liegt
es nahe, dass die spärlich erschienen Anwesenden versuchen, die Gelegenheit zu
nutzen um ein persönliches Gespräch zu führen und eine Art Vertrauensbasis mit
Kumpelbonus aufzubauen. Außerdem hat man
hinterher den Stress, alle wirklich wichtigen Infos auch den ewig Abwesenden zu
übermitteln, weil sie natürlich auch zum nullten Elternabend fehlten, an dem
erklärt wurde, dass es die Pflicht der Eltern ist, sich über die Inhalte
des versäumten Termins selbst zu informieren. Der Supergau sind auch in der
Gastgeberrolle überflüssige Fragen jenseits des vom eigenen Körper tolerierten Hunger-Durst-Ruhe-Bedürfnisses
oder -noch schlimmer- Privatfehden
zwischen Müttern, die urplötzlich zum Gegenstand einer Elternabenddiskussion
werden. Alles schon erlebt.
Übrigens mache ich um die
Elternsprecherwahl kein Gewese, für die Freiwilligen gibt es ein Blümchen aus
dem Garten und ich sage offen, dass ich Elternsprecher in Ruhe lasse. In der
Regel funktioniert das ganz gut.
Vor einem Jahr wurde der
kleine Müller eingeschult und der große Müller kam in eine neue Schule. Die
Grundschullehrerin war geschätzt Mitte Fünfzig, mit dem äußerlich sichtbaren
Wunsch höchstens Ende Zwanzig zu sein. Klarer Fall: Mit solchen Frauen kann
Herr Müller gut, ich war aus dem Schneider. Der große Müller bekam einen jungen
Lehrer, gerade frisch aus dem Referendariat geschlüpft. Die Eheleute Müller
teilen sich die Elternaufgaben gerecht: also ging ich zum Elternabend des
Erstgeborenen. Das Gesamtresultat dieser Elternabendsaison waren gleich zwei
Elternsprecherposten (wenn auch nur als Stellvertreter) für das männliche
Familienoberhaupt und mein damit verbundener liebevoller Spott. Die Wahl in dieses Amt erfolgte zum Elternabend beim
Junglehrer sogar in Abwesenheit meines Mannes, ein im Vorfeld achtlos von Herrn
Müller ausgefüllter Zettel und ausbleibende Intervention meinerseits führten
dazu. Posten Nummer Zwei erwirkte sich mein selbstloser Ehemann als ihm das
Warten auf Freiwillige und die damit verbundene Rückkehr zu Netflix zu lange
dauerte und er sich selbstlos opferte. Tja, so ist das – wenn die Lehrerin
verschweigt, dass ein Elternsprecher nicht gewählt werden muss, im Falle es erklärt sich
niemand dazu bereit. Hätte mir nicht passieren können.
Dem heutigen Elternabend
wird wieder Herr Müller beiwohnen. Ich hoffe nicht, dass er dieses Jahr selbstlos
in die Bresche springt, wenn nach einem Hauptsponsor für das anstehende
Schulfest gesucht wird. Ich für meinen Teil resümierte den gestrigen
Elternabend, von dem ich mich nur zu gerne aufgrund einer realen Wurzelbehandlung entschuldigt hätte, mit den Worten: „Lass uns heute abend American Horror Story gucken,
ich will normale Menschen sehen!“
In diesem Sinne: Viel Glück bei der Parkplatzsuche.
Wenn's länger dauert - schaut mal bei Facebook rein.
Frau Müller bietet Parkplätze in direkter Nähe zum virtuellen Lehrerzimmer. Kostenfrei und jederzeit kündbar.
Einfach auf "Gefällt mir" klicken.