Lehrer sind auch nur Menschen. Und nicht jeder trifft sich abends mit Kolleginnen abwechselnd zum Nordic Walking oder zum Fortgeschrittenenkurs in Seidenmalerei. Ich denke ich bin das Kuckucksei im Lehrerzimmer. Etwa wie ein Veganer, der ausversehen Metzger geworden ist oder ein Pilot mit Höhenangst. Oder wie eine Franzi van Almsick, die immer wieder vom Schwebebalken fällt weil sie noch nie jemand ins Wasser geschubst hat.

Freitag, 14. September 2018

Von Wunderprosecco, Haarspray mit Lotuseffekt und Yoga in HighHeels


Als ich den großen Müller heute Morgen in die Schule gefahren habe, kam mir eine wirklich originelle Idee. Beim Autofahren habe ich übrigens immer die besten Ideen, genau wie beim Staubsaugen. Nach einem Tobsuchtsanfall im Stadtverkehr hatte ich mal den Geistesblitz, mittels Webcam neben dem Lenkrad eine Art Chat-Roulette „Drivers Edition“ zu erfinden. Man könnte dann anderen beim Autofahren und damit beim Singen, Popeln oder Fluchen zuschauen. Ich denke, das könnte echt lustig werden. 


Jedenfalls kam mir heute Morgen der Gedanke an ein Retro-Videospiel nach dem Super Mario-Vorbild. Das ganze heißt natürlich – völlig logisch – Super Müllerin. Dabei kämpft sich mein pixelgewordenes Ebenbild durch verschiedene Welten, vom Klassenzimmer und dem Schulhof über die Innenstadt und den Supermarkt bis hin zum Stadtfest, den Zoo und den Weihnachtsmarkt. Überall gilt es Schüler zu besiegen, in dem man sie mit Kreide und Schlüsseln bewirft, Kollegen und Eltern muss man ausweichen. Oder man schützt sich, indem man Ohrenschützer aktiviert. Den Schlüssel und die Ohrenschützer muss man aber, ähnlich wie bei Legend of Zelda das Schwert und den anderen Kram, erst mal finden. Ja, ich lege Wert auf Realitätsnähe. Man kann kleine Proseccodosen oder Schnapspralinen finden, die machen dann stärker oder schenken einem ein Extraleben. Die Schulleiterin könnte zum Beispiel ein Endgegner sein. Oder ein Schüler mit ADHS auf Ritalinentzug. Oder ein alkoholisierter Vater. Ich denke wirklich, das würde Spaß machen.
So könnte es aussehen, wenn Super Müllerin einen Justin trifft, der vor einer Unsterblichkeits-Proseccodose patroulliert (nur ohne Bart vielleicht)

Ur-Keim dieses gedanklich schon bis ins Detail ausgesponnenen Gedankenkonstrukts war übrigens mein aktives geistiges Klemmbrett zum Thema Freizeitsport, im Speziellen zum Schwimmen in öffentlichen Badeanstalten. Dort versuche ich mich nämlich seit kurzem wieder regelmäßig aufzuhalten (wenn man nach dreimal schon von regelmäßig sprechen kann). Vergangene Woche habe ich mich im Wasser wie Mario zwischen den Bowsern gefühlt. Der Rest kam dann aus meinem Hirn gesprudelt, wie Cola aus der Flasche, wenn man ordentlich schüttelt oder Mentos rein schmeißt.

Wenn sich der Leser jetzt fragt „Warum um alles in der Welt geht die Müllerin schwimmen? Das ist Baden in Menschensuppe mit nicht zu unterschätzendem Urin- und Schweißanteil und macht außerdem keinen Spaß, dafür aber ein breites Kreuz“ so muss ich ihm zunächst beipflichten. Aber nach dem Zurateziehen meines wankelmütigen Bindegewebes, der nicht vorhandenen alternativ ebenso leicht zu erreichenden örtlichen Möglichkeiten das körperliche Aktivitätsniveau zu heben, erschien mir das wöchentlich einstündige Verdrängen von Wassermassen als das geringste zu erbringende Opfer für einen kaum merklich verlangsamten Verfallsprozess. 


Okay, ich könnte joggen gehen. Aber zum einen erscheint mir Joggen insgesamt von allen Ausdauersportarten am sinnfreiesten und zweitens bin ich beim Sport am liebsten allein. Das heißt nicht, dass ich nicht Menschen im selben Raum oder Wasser dulde. Auch wenn ich mich erst gestern Abend nur knapp zurückhalten konnte, dieser dauerkichernden Ollen zwei Matten neben mir meinen hölzernen Yogablock mit Wucht gegen den Kopf zu schmettern. Oder sie mit dem Yogagurt zu erwürgen. Nur der Grad meiner Entspannung hat schlimmeres verhindert. 

Das bedeutet einfach, dass ich dabei ungern Mann, Freunde oder Kollegen dabei habe, von denen auch nur die geringste Gefahr ekelhafter Motivationsversuche ausgeht beziehungsweise die meinem Hang zur Selbstgeißelung auch nur im Ansatz im Wege stehen. Also müsste ich alleine laufen gehen, im Wald versteht sich. Denn auf der Straße sind Menschen. Im Wald hab ich aber Angst. Selbstverständlich nur vor den Wildschweinen. Daher geh ich schwimmen.

Mannschaftsport fällt ebenso aus, das ist wie die Gruppenarbeiten früher in der Schule oder Uni. Kryptonit für Misanthropen. Fitnessstudios genauso. Sarah hat mich vor kurzem gefragt, ob ich mit ihr mal hingehen will, weil sie meinen Bindegewebsmonolog nicht mehr ertragen konnte. Ich hab ihr mit einer Gegenfrage geantwortet: Hast DU Lust, mal einen Tag in einer Krippengruppe zu verbringen, in dem der Norovirus grassiert?
Dieses Gerätetraining. Wuäh. Fluchtreflex. Und dann kommt vielleicht noch ein gutaussehender Kerl Mitte Zwanzig mit Namensschild und sagt mir, dass ich irgendwas falsch mache? Hallo? Ich darf ja wohl immer noch selbst entscheiden, wie ich mir meinen Nacken verspanne. Werd erstmal so alt wie ich, Bengel. Kurse. Genauso schlimm. Keinen Bock, mich von ner Gleichaltrigen mit Caprileggings und übermotiviertem Bindegewebe im Sinne der Motivation anschreien zu lassen und dazu auch noch schlechte Musik zu hören.

Ach ja, zu Hause Sport machen geht auch. Hört sich eigentlich total schlüssig und sinnvoll an. Scheitert aber an der Realität und vor allem am Sofa. Ich habe mir sechs lange Sommerferienwochen vorgenommen, irgendwann mal morgens Yoga auf meiner Terrasse zu machen. Und dann kam etwas, das nannten Meteorologen „Jahrhundertsommer“. Ausrede genug.
Also geh ich in die Schwimmhalle.

Wenn ich einen Bikini und Badeschlappen im Auto habe, dann kann ich auch schwimmen.
Wenn ich vier Euro bezahlt und das Drehkreuz unwiderruflich passiert habe, dann kann ich auch schwimmen.
Wenn ich schon mal mitten am Tag in Badeklamotten am Beckenrand stehe, dann kann ich auch schwimmen.
Wenn ich mich schon ins 28 Grad kalte Wasser gehievt habe, dann kann ich auch schwimmen.
Wenn ich fünf Minuten geschwommen bin, dann kann ich auch ne Stunde schwimmen. Muss sich ja schließlich lohnen.

Meine Art der „Wenn dann“-Motivation. Letztlich schwitze ich beim Schwimmen nicht, meine Hüfte macht keine komischen Geräusche und das Risiko, mich zu verletzen ist gering. Dank meiner fürstlichen Arbeitszeiten, kann ich die öffentliche Badeanstalt schon am Mittag aufsuchen. Das hat den Vorteil, dass der Kinderanteil in dieser Halle mit der unvorteilhaften Akustik, gegen Null geht. Hausaufgaben statt Arschbombe heißt die Lösung. Eltern sind auch keine da, denn von 12 bis 2 läuft das Mittagsmagazin auf RTL.

Wer geht also wochentags zur Mittagszeit schwimmen außer Lehrer? Rentner natürlich. Vormittags sind sie beim Arzt und nachmittags überrennen sie die Supermärkte. Allerdings habe ich in meiner als Langzeitstudie angelegten Beobachtung (die zum gegenwärtigen Zeitpunkt drei Besuche umfasst) noch keine Ursachen für die tageweisen Schwankungen der Rentnerdichte eruieren können. Ich hatte bereits das Vergnügen, im fast leeren Becken in trauter Einsamkeit vor mich hin planschen zu dürfen, war allerdings auch schon genötigt, permanente Ausweichmanöver wie der Sat1 Superball zu vollziehen. Ich vermute eine Korrelation mit dem vierzehntägig stattfindenden Wochenmarkt in der Innenstadt. 

Jetzt hätte der konsequente Misanthrop in mir ab dem dritten Senioren auf der gleichen Bahn konsequent das Becken verlassen und nach Hause gehen können, weil aber der Sportler in mir konsequenter ist, hab ich lieber den Joey Kelly gemacht, durchgezogen und mich dabei in menschenkategorisierenden Gedanken verloren.

Da sind zunächst die Enten. Es gibt sie in allen Altersgruppen. Ich bin übrigens auch eine Ente. Man erkennt sie am konsequenten Brustschwimmstil und den trockenen Haaren, gegebenenfalls auch am unversehrten Make-up, das allerdings einen besonders langen Entenhals erfordert. Die jüngeren Enten (ich zähle mich auch knapp dazu) schützen ihr Kopfgefieder durch stylische Duttaufbauten, weswegen ich sie Schmuckenten nenne, die älteren Enten durch nicht minder modische Badehauben oder drei bis acht Extraschichten Haarlack. Die Entscheidung für eine der beiden Varianten hängt vermutlich von der Frische der Kaltwelle im edlen silbergrauen Kopfputz ab. 


Außerdem erkennt man die Enten an ihrem charakteristischen Duft, dessen Stärke und Nachhaltigkeit proportional mit dem Alter der Ente zunimmt. Ein Rudel sehr alte Enten wird zuweilen umgeben von dichten Nebelschwaden aus 4711 und Tosca, die an das Caspar David Friedrich-Gemälde einer Moorlandschaft erinnern. Außerdem steigt auch die Zeit, die die älteren Wasservögel innen am Beckenrand ähnlich einer Nudel am Topfrand klebend, verbringen proportional zum Alter.

Das männliche Pendant dazu sind die Dampfer. Eisbrecher wäre ebenso passend. Oder Walrösser. Denn genau wie ihre Namensgeber, durchpflügen nicht selten übergewichtige Männer jenseits der Lebensmitte ohne Rücksicht auf möglichen Gegenverkehr das Wasser. Dabei kämpfen viele von ihnen gegen erhöhten Wasserwiderstand aufgrund dichter Rückenbehaarung. Jeder dieser Pelzträger wäre angesprochen auf seine üppige Körperbehaarung bei einer Kontra-Burkini-Diskussion sofort mundtot. Im Gegensatz zu den Enten, treten die Dampfer meist als Einzelexemplar auf, benötigen jedoch wegen ihres sehr ausladenden Rückenschwimmstils genauso viel Platz wie ein mittelgroßes Entenrudel. Ein Dampfer hat mich einmal unter Wasser am Schenkel leicht touchiert und sich, als er mir auf der nächsten Bahn erneut entgegen kam, sehr förmlich entschuldigt und mir dabei versichert, dass es sich nicht um sexuelle Belästigung handelte. Ohne Witz.

Schließlich gibt es noch die Hechte. Von ihnen gibt es männliche und weibliche Exemplare, auch gibt es sie in nahezu allen Altersklassen. Echte Hechte erkennt man an der sehr funktionalen Badebekleidung zumeist einschlägiger Hersteller, der obligatorischen Schwimmbrille und nicht selten einer sportiven Badekappe. Hechte steigen nicht über die Leiter ins Becken sondern benutzen die vorhandenen Startblöcke. Außerdem halten sich Hechte in der Regel auf der abgegrenzten Bahn links außen auf, um im Training nicht auf Enten zu stoßen. Befinden sich sehr wenige Hechte im Becken, wird neu ankommenden Enten nicht selten fast völlige Leere im Wasser suggeriert, da sich Hechte größtenteils unter der Wasseroberfläche aufhalten. Das alles hat zur Folge, dass ich mich, wenn ich gemeinsam mit Herrn Müller die Badeanstalt aufsuche, bereits beim Betreten der Schwimmhalle von ihm verabschiede, da sich die Schwimmstile von Hechten und Enten eher schlecht miteinander vereinen lassen.

All diese Menschen sind da, aber sie sprechen nicht mit mir. Zwischen ihnen und mir befindet sich wohltuendes Schweigen und eine gesundheitlich nur knapp unbedenkliche Menge Chlor. Das und die Tatsache, dass man beim Schwimmen keine Schuhe trägt, lassen mir die Schwimmhalle als einen geeigneten Ort erscheinen, an dem ich mich sportlich betätigen kann. Vermutlich werden immer dann, wenn mein Puls steigt, Urinstinkte bei mir geweckt, die mir signalisieren, dass ich meine Füße entkleiden muss. Das klappt beim Yoga, wie beim sporadischen Kampfsport genauso wie beim Schwimmen. Vielleicht liegt es aber auch einfach nur daran, dass Turnschuhe nicht hübsch sind und es sich in HighHeels schlecht turnt.

Freitag, 7. September 2018

Ich bin dann mal weg – Adieu FACEBOOK

 Am Anfang stand das Bloggen – am Ende auch

Es ist ein bisschen wie mit der Ernährung. Da gibt es Menschen, die sind uuuunglaublich diszipliniert. Permanent. Ihr Leben lang. Dadurch bleibt zumindest ein Teil dieser Leute gesund und in Form. Ein anderer Teil pfeift drauf, was er wann isst und den Körper juckt es nicht. Gesundheit und ein Körper, wie ihn sonst nur die Bildhauer der Antike hervorbrachten, sind sozusagen ein Geschenk. Ein bisschen wie diese Gutscheine, die man manchmal am Ausgang von Möbelhäusern oder diesen unmöglichen riesigen Supermärkten geschenkt bekommt. Man kriegt sie einfach in die Hand gedrückt und warum nicht nehmen, wenn sie schon mal da sind. Dann gibt’s noch alle anderen, die einfach essen und leben und dabei den Fokus beneidenswerterweise aufs Leben legen. Und es gibt mich, ich bin von allen ein bisschen. Nur der Gutscheintyp, der bin ich nicht. 

Mit dem Essen hab ich schon früher gehadert, aber 47 Kilo und ne Essstörung sind zum Glück Vergangenheit. Heute ist es eher so ein (un)gesunder Mix aus furchtbar furchtbar konsequent und ach leck mich doch. Aber immer dann, wenn auf das Leck mich doch ein Konsequent folgt, brauche ich eine Katharsis, ein Reset, einen Punkt Null.
 
Nun soll es aber nicht ums Essen und auch nicht um mein Bindegewebe, diesen miesen Verräter, gehen sondern um meine anstehende „sozial-mediale“ Entgiftung. Ich kann ohnehin unmöglich weiter übers Essen schreiben, ohne dass ich anfange, mich von innen selbst zu verdauen. Der Kühlschrank ist leer und es ist Freitagseinkaufsrentnerrushhour. Ich schaff das einfach nicht. Kann man aus einer Yuccapalme Salat zubereiten? Essig und Öl hätte ich noch da.

Schreiben wollte ich. Weil’s mir Spaß gemacht hat. Das tut es übrigens auch nach wie vor. Jetzt stellt euch vor, ihr schreibt einen Blogartikel und keiner liest ihn. Doof, ne? So geschehen vor knapp zwei Jahren. Kein Ding und ist ja letztlich auch logisch. Also wie Menschen erreichen, wenn nicht mit Social Media. Geile Sache eigentlich. Jenseits meines schreiberischen Geltungsbedürfnisses allerdings, hielt ich bis dahin nichts oder nur schlechtes von sozialen Medien. Aber Opfer müssen eben gebracht werden. 

So wie recht häufig in meinem Leben, fang ich also erstmal an, bevor ich mich informiere. Geduld gehört nicht zu meinen Stärken. Und eigentlich läuft dieses Facebook ja ganz gut, denkt sich zunächst Frau Müller, die nämlich neben wortreichen Blogartikeln, auch gerne mal den Instant-Alltagsgedanken-Murks direkt per Posting auf die Seite donnert. Just heute, an dem Tag, an dem ich Abschied davon nehmen will, bringt mich eine Kollegin mit der Aussage, dass sie ihren achtjährigen Sohn für eine Drei auch mal ausschimpft, so nah an die geistige Kotzgrenze, dass ich nur knapp der rettenden Entspannung an den Tasten des Smartphones (Scheiße, das Ding hat ja gar keine Tasten) widerstehen kann.

Dann ist da aber noch Susann. Also die private Müllerin. Die lernt nach und nach auch den Umgang mit der Zeitvernichtungsmaschine Facebook. Haha, ein lustiges Bildchen, schnell mal jemanden markiert, interessante Artikel, lustige Artikel , strittige Artikel, aha – beim X gibt’s heute Würstchen und Bierchen, aha, die Y hört sich gerade den Teufelsgeiger an. Und jenseits der sieben mal fünfzehn Zentimeter zieht das Leben vorbei.

Ich bin an einem Punkt, an dem mich weder die Verbindung von Frau Müller zu Facebook noch meine eigene damit noch glücklich macht. Nichtsdestotrotz tut es einem Teil meines Herzens auch leid. Lasst mich versuchen, zu erklären.

Die Susann in mir ist von weiten Teilen dieser Plattform schlicht und ergreifend nur noch angewidert. Ich müsste meine Filterblase schon in medizinischen Alkohol einlegen, um sie von allem zu reinigen, was mir auf die Nerven geht. Allen voran Menschen, danach Menschen und zum Schluss immer noch Menschen. Ich bewundere diejenigen von euch, die da Ruhe bewahren. Ich kann’s nicht. Ich bin ein Gefühlsgeysir. Und immer mal wieder wird man enttäuscht, von Leuten, die einem eigentlich zu wichtig sind, um sie weg zu ignorieren, und sei es nur, weil sie zeigen, wie sie wirklich ticken. 

Ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen, dass es einige durch Facebook entstandene Kontakte gibt, die mir ans Herz gewachsen sind. Allen voran, die Blogger hinter Vairvetzt, Bryke, Meine Drogenpolitik und Wasmansonichtsagendarf. Alle zusammen tolle Blogger – und tolle Menschen. Ich hoffe, ich habe niemand vergessen. Besonders Jule von Vairvetzt hat mir in den letzten zwei Jahren gelernt, dass man Menschen hassen und trotzdem aktiv was für gutes Karma tun kann. Yeah, ich habe einen ökologischen Fußabdruck. Und der wird immer besser.

Aber nicht nur den Kontakt zu diesen Leuten werde ich vermissen, die kleine feine Community mit einer Kommentarkultur, die ihresgleichen sucht, die in FrauMüllers Lehrerzimmer entstanden ist, wird mir ebenso fehlen. Dieser harte Kern, der einfach immer wieder konsequent dafür gesorgt hat, dass die Kommentare viel witziger, wertvoller, informativer oder lesenswerter waren, als mein ursprünglicher Post. Ich hoffe, ihr habt gemerkt, dass ihr mir wichtig gewesen seid. Ich habe versucht, nahezu jeden Kommentar zu würdigen, wenn nicht sogar zu beantworten. Danke euch.

Auch persönliches Feedback gab es, heimlicheQuattroehe-Verfechter, die aber lieber anonym bleiben wollten. Lehrer, die Kinder genauso wenig leiden können wie ich und Frauen, für die ich so eine Art Glutamat ihres sexuellen Gewürzschränkchens war. Ganz wunderbares Feedback. Allein die Tatsache, dass ich schreiben kann „Lehrer, die Kinder genauso wenig leiden können wie ich“ und dabei weiß, dass meine treuen Leser höchstens schmunzeln und nur ein paar besorgte Menschenrechtler aufs X drücken, macht mich glücklich.

Und dennoch stand zwischen mir und diesen Menschen immer Freund und Feind Facebook. Ich bin vermutlich zu sehr Idealist, wenn mich sowohl die Reichweitenregelung als auch zum Teil nicht nachvollziehbares Sperr- und Löschverhalten der Verantwortlichen unzufrieden macht. Das Ganze ist eine Maschine, an der du funktionieren musst, damit sie funktioniert. Dem mag ich mich nicht mehr unterwerfen. Am Ende werden Schreiber und Leser verarscht. Im echten Leben fände ich es ziemlich beschissen, wenn ich etwas abonniere, aber nur jede dritte oder vierte Lieferung bei mir ankommt. Und wenn es so ist wie gerade und das echte Leben zu schnell und zu voll ist, um auch noch im virtuellen Leben eine gute Figur abzugeben, dann fängt man quasi von vorn an, wenn die Muse zurück ist. Da hab ich keinen Bock mehr drauf. Nicht zu vergessen, die latente Angst vor irgendwelchen diffusen, willkürlichen Löschaktionen, weil man irgendwem irgendwie gerade nicht passt. Transparenz geht anders. Kein Bock. Ich kann mir nichts kaufen von alle dem. Aber mein Herz steckt drin. Und das ist mir wichtig.

Das Bloggen stand am Anfang und es steht am Ende. Jenseits von Facebook geht es hier bei Blogspot weiter. Auf der Festplatte jede Menge Angefangenes. Vom „Kinder-K.O.-Spray“ über Versicherungsexorzismus bis hin zu einer spektakulären Doppel-Vasektomie. Das muss raus. Dazu kommt die analoge To-Do-Liste in Form von ungezählten Post-its in der linken Ecke meiner Schreibtischplatte. Da geht’s um die verdammte Mitte, in der die Wahrheit liegt, die aber irgendwie immer mehr verschwindet. Um Kindergeburtstage zum Davonrennen und um die Geschichte, wie ich einmal mit Kind und Kegel für sechs Wochen bei der Schwiegermutter einzog und ÜBERLEBTE. Ich liebe den Blog. Oder das Blog? Mir wurscht. Das ist meine ganz eigene Katharsis. Wer mich lesen will, der findet mich hier. 

Nach einem DSGVO-Makeover bin ich mir im Augenblick meines Schaffens hier nicht sicher, was von der Möglichkeit, die Seite zu abonnieren noch übrig ist. Kuckt einfach mal. In der Webversion sollte es zu finden sein. Ich habe übrigens nur 2 – in Worten ZWEI – Abonnenten auf der Seite. Dagegen stehen über 850 auf Facebook. Ja, ich lehne mich gerade sehr weit aus dem Fenster.

Aber so weit nun auch wieder nicht. Ich möchte FrauMüller bei Facebook nicht löschen. Zwar würde ich sehr gerne mein Privatprofil löschen, das eine geht allerdings nicht ohne das andere. Einerseits ist die FrauMüller-Seite eine Art Mini-Blog. Viel zu viele Beiträge dort liegen mir fast genauso am Herzen wie die großen Brüder und Schwestern bei Blogspot. Andererseits hat die Müllerin hier eine Bühne, auf der sie, wenn der Staub beseitigt ist, die Menschen darüber informieren kann, dass sie es endlich geschafft hat, dieses Buch zu schreiben, von dem so viele immer reden. Die vielen kleinen, wütenden, verliebten, nachdenklichen und amüsierten Alltagsschnipsel werden wohl vorerst den Weg zu den anderen Post-its auf dem Schreibtisch finden. Und wenn sie Glück haben und Andreas sie nicht frisst oder Morticia sie durch die Wohnung jagt, während sie an ihrem Schwanz kleben, dann finden auch diese irgendwann irgendwie ihren Weg ins große Lehrerzimmer, fernab von fucking Facebook.

Ich freu mich jetzt aufs richtige Leben, auf geistiges anwesend sein. Ganz ohne Fakenews, Reichweite, Klickzahlen, Likes und Follower. Lest es oder lasst es. Ich bin da, wenn ihr mich sucht. Tief einatmen. Und los.

Staub müsste ich auch mal wieder wischen...