Lehrer sind auch nur Menschen. Und nicht jeder trifft sich abends mit Kolleginnen abwechselnd zum Nordic Walking oder zum Fortgeschrittenenkurs in Seidenmalerei. Ich denke ich bin das Kuckucksei im Lehrerzimmer. Etwa wie ein Veganer, der ausversehen Metzger geworden ist oder ein Pilot mit Höhenangst. Oder wie eine Franzi van Almsick, die immer wieder vom Schwebebalken fällt weil sie noch nie jemand ins Wasser geschubst hat.

Mittwoch, 18. Juli 2018

Sektsklaven, Arschfummel und gerettete Augenbrauen - wie man einen Junggesellenabschied feiert ODER Wer braucht schon eine Braut



Es ist Sommer und damit Hochzeitshochsaison. Zu den traditionellen Must-Haves eines jeden Vor-Hochzeits-Horrors gehört ein zünftiger Junggesellenabschied...

Junggesellenabschiede scheinen sich sowohl bei einigen Teilnehmern als auch bei Beobachtern keiner großen Beliebtheit zu erfreuen. Wenn wir auf ein solches Grüppchen treffen, wechseln wir wenn möglich sofort die Straßenseite, schauen angestrengt in die andere Richtung oder schubsen die Freundin nach vorn, wenn es darum geht, dem stark alkoholisierten Bräutigam in Spe ein Herzchen aus dem Schritt seines rosa Schlüpfers zu schneiden.

Auch man selbst empfängt die Nachricht, Teil einer solchen „Bauchladen-Fremdschäm-Aktion“ in der Fußgängerzone zu werden, ähnlich freudvoll wie einen positiven Streptokokken-Abstrich. 
Frau Müller sagt: KOMMT DRAUF AN!

Ein erfolgreicher Junggesellenabschied ist in etwa wie Eintopf kochen. Zu allererst – und das ist ganz wichtig: genauso wie ein Eintopf mit oder ohne Fleisch schmecken kann, funktioniert ein JGA mit oder ohne Braut bzw. Bräutigam. Man muss sich einfach herantrauen an solch eine vegetarische Variante .

Wir hatten vor zwei Jahren einen äußerst legendären echten Junggesellenabschied. Höhepunkte waren mehrere Flaschen Sekt, spendiert vom regionalprominenten Baulöwen gesetzten Alters, die in Teilen aus Pumps getrunken wurden, der Bräutigam in Socken, Schlüppi und T-Shirt mit "SALE"-Aufdruck im Schaufenster einer Teenager-Modekette, der gemeinsame Ausklang beider JGAs (Braut und Bräutigam) im Stripclub, bei dem die Braut von einem irritieren weiblichen Gast gefragt wurde „wieviel sie hier an einem Abend verdient“, ein von unserer frisch getrennten Freundin an der Bar abgeschleppter Chirur, der auch prima Brustkrebsvorsorgeuntersuchungen drauf hatte und das finale Versacken mit allen Beteiligten um morgens halb fünf im Hotelbett. Beim gemeinsamen Frühstück am nächsten Morgen dann der Beschluss: war scheiße - das machen wir mal wieder! 
Völlig egal, wenn niemand heiratet geht es auch ohne Brautpaar. 

Die Sache mit dem Bauchladen ist wie Wirsing – da kann man drauf verzichten, da steht eh kaum jemand drauf und der Effekt ist nicht wie erwartet. Die Teile funktionieren wie Freddy Krügers Klingenhände. Erst sie machen das Ganze so abstoßend. Es reicht völlig gut auszusehen und in der Gruppe aufzutreten. Damit erweckt man genug Aufmerksamkeit.  

Stichwort "Gut aussehen": ALLES was ihr beim Versandriesen unter dem Suchbegriff "Junggesellenabschied" angezeigt bekommt. gehört NICHT dazu. Damit übt ihr eher eine abschreckende Wirkung aus, die im Wesentlichen darin besteht, dass die Menschen an den Tischen der Straßencafes angestrengt in ihrem Latte rühren sobald ihr in Sichtweite gelangt.

Dann ganz wichtig: KEINE Schwangeren oder Stillenden! Tut mir leid wenn ich das so proletenhaft sagen muss aber: Alkohol ist das Salz im JGA-Eintopf. Ja, manch eine Wahrheit muss ausgesprochen werden, auch wenn sie den Sprecher nicht gerade auf das Level eines Philosophen hievt. Und kommt mir nicht mit "Ich kann auch ohne Alkohol lustig sein". Das ist wie Jodeln - nur ein Bruchteil der Personen, die behaupten sie könnten dass, können es tatsächlich.

Zu viele Drinks sind auch nicht gut. Es kann nämlich passieren, man legt sich unter massiven Alkoholeinfluss nur ganz kurz im Hotelzimmer hin um später selbst durch laute Klopfattacken nicht zu erwachen, so dass das Gruppentaxi ewig wartet und eine Befreiung erst durch eine an der Rezeption erbettelte Schlüsselkarte möglich wird. Manche Aktionen verlieren durch zu viel Alkohol auch ihren Charme. Unwiederbringlich weggeworfene Schlüssel von Fußfesseln oder abrasierte Augenbrauen zum Beispiel. Alles schon erlebt. Mindestens einer oder eine sollte die JGA-Mutti machen und eingreifen, bevor der Tätowierer die Maschine ansetzt. Der Shitstorm des Moments ist nicht aufzuwiegen mit lebenslanger Dankbarkeit.

Mit zu wenig Sekt schmeckt der Eintopf aber fade und wird nicht aufgegessen bzw. alle sitzen um halb elf im Zug und fahren nach Hause. Auch schon erlebt.

Ich hörte sogar schon von Junggesellinnenabschieden, bei denen Mütter ihre Kinder mitnahmen. Hallo? Ein Kinderwagen zum JGA ist ungefähr so passend wie mit einem BobbyCar an einer Ausfahrt der HellsAngles teilnehmen zu wollen. Kann man zwar machen aber das führt dazu, dass die ganze Gruppe nicht mehr ernstgenommen wird. Ein Junggesellenabschied ist nicht wie Kacken gehen. Wenn sich das große Geschäft ankündigt, dann MUSS man halt, notfalls mit Hosenscheißer neben der Kloschüssel. Kollektiv auffallen KANN man auch aufschieben und auf einen Zeitpunkt termineren, zu dem sich die Küken ihre Würmer selbst suchen können und nichts von Mama in den Hals gesteckt bekommen müssen. Notfalls lasst ihr die Glucken einfach daheim.

Ganz wichtig ist noch das Ambiente in dem der Eintopf serviert wird, so wie man in einem Nobel-Restaurant niemals auf die Idee käme, Eintopf brotstippenderweise vor sich hin zu schlürfen sondern das eben eher bei Mutti auf der Eckbank tut, sollte man einen JGA oder Pseudo-JGA (die vegetarische Variante ohne Brautpaar) nicht in die Fußgängerzone der Kleinstadt verlegen. Ein Junggesellenabschied im Einkaufscenter? Leute, ganz ehrlich, wenn das euer Makrokosmos ist, was ist dann der Mikrokosmos? Euer Nachttisch?

Man nehme also zum Beispiel großstädtisches Flair garniert mit dem regenbogenfarbenen Glitter des Christopher-Street-Days. Dies bietet Raum für öffentlich konsumierten Alkohol, viel nackte Haut, obszönes Verhalten und Phallus-Symbole auf offener Straße. Man muss sein Rezept unterscheiden von Standard-Eintöpfen, damit es gegessen wird und auch Kritiker mal kosten. Also keine Schärpen, rosa Krönchen und „Xy heiratet“-Tops sondern schwarze Mini-Fummel mit sehr hohem Nuttenfaktor und für den Trash-Bonus ein Gruppen-Regenbogen-Arsch-Tütü! Ich hab mich umgeschaut: Wir sind die Geilsten hier.


Für unseren vegetarischen Bitch-Barbie-Eintopf fehlt nur noch diese eine besondere Zutat, sozusagen das gewisse Etwas: wie Ingwer, Muskat oder Creme Fraiche. Also werfen wir noch einen niedlichen devoten Schwulen in den Topf, der es liebt sich mit schönen Hetero-Frauen zu umgeben und von uns allen die größte und einzig wahre Hure ist - und das mit Stolz und nach eigener Aussage! 

Irgendjemand muss ja den Trolly mit den Prosecco-Dosen und Einhorn-Lollies ziehen. Rick, unser homosexueller Haupt-Sekt-Sklave der ersten Stunde hat im Vorfeld weder Kosten noch Schmerzen gescheut und zusätzlich zur Hyaluronsäure-Implantation am Augenknochen täglich Termine zur permanenten Haarentfernung auf sich genommen. Kaum zu glauben, dass er – der seinen Beauty-Doc auch gerne mal mit der anderen „Spritze“ von hinten an sich ran lässt wenn die Botox-Dosis dafür umsonst ist - zumindest dann mal rot wird, wenn er in Hündchenstellung auf dem Behandlungstisch kniet um sich auch den allerletzten kleinsten Flaum permanent entfernen zu lassen.
 
Rick ist unser Mädchen für alles. Er pilgert los und holt Wasser, wenn unser Küken feststellt, dass der Pegel ungewohnt hoch ist, er mimt bereitwillig die Braut wenn mit Google geplante JGAs die Botschaft unseres Grüppchens nicht so ganz verstehen und geht in erbitterte Preis-Verhandlungen, wenn wir mal wieder als begehrtes Foto-Motiv herhalten müssen. Notfalls streckt er dem Fotopirat energisch die flache Hand gegen die Linse. Im Übrigen sorgte dieses wirtschaftliche Talent am Ende für eine prall gefüllte Schwarzkasse und das ohne dass wir ursprünglich Gewinnabsichten hatten. Zum Dank darf er sich von uns an der Leine führen lassen und sich mit uns schmücken. Oooooh my fucking goooooood – wir sind sooo awesome!

Der Eintopf köchelt vor sich hin – mit der Mengenzusammensetzung der Zutaten hat jedoch der ein oder andere seine Probleme. Es ist Sellerie. Nicht jedermanns Sache. Wichtige Benimm-Regel: Versohle dem besoffenen Junggesellen und seinen Kumpels den Arsch, so dass er sich nach dem Ausnüchtern durch die blauen Flecken daran erinnert, dass er in der Fußgängerzone blank gezogen hat, aber zieh ihm in Gottes Namen nicht die Hose ganz runter. Das will KEINER sehen. Also ich mag Schwänze nicht so gerne ankucken, wenn sie schlaff an einem Besoffenen mit Strohhut runter baumeln. 
Korrekt wäre ein divenhaft-abweisender Gesichtsausdruck gepaart mit der Peitsche in den verschränkten Armen und die Aussage über sich selbst in der 3.Person: „Die Domina hat jetzt keine Lust!“ gewesen, nur um sich dann doch für ein paar Schläge herabzulassen. So fühlt sich der Gepeinigte geehrt und nicht vergewaltigt. Das hat Stil.   
Was bleibt vom Sellerie ist der Nachgeschmack  - wie die Aussage „Sonntag ist mein Tag. Da dusche ich und kuck mich im Spiegel an!“, ein Satz der uns allen noch heute Muskelkater in den Denkfalten auf unserer noch ungebotoxten Stirn verursacht.

Wie auch immer, Eintopf geht immer – und lecker war es trotzdem irgendwie. Wir werden am Rezept feilen. Vielleicht etwas weniger Sellerie, dennoch vegetarisch. Wir brauchen die Braut wie der JGA den Bauchladen – sowas von gar nicht.  Mal sehen was uns noch so an Geheimzutaten einfällt. Glitzer und Regenbogen geht immer. Und Einhörner. Um Himmels Willen, vergesst die Einhörner nicht! Und nein! Flamingos sind NICHT die neuen Einhörner. Weil Äpfel auch nicht die neuen Birnen sind. Wo kommen wir da hin!

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