Bloggen hat einen enormen
Vorteil: unter dem Vorwand der Recherche gelingt es einem immer wieder, die
absurdesten Aktionen als Recherche vor der Welt und sich selbst zu
rechtfertigen. Und als guter Autor überschreitet man zuweilen seine eigenen Grenzen. Nur für die geneigte Leserschaft...
Vorweg: es gibt ja bestimmte Weltbilder, die Menschen nach ihren
Elementen einteilen. Ihr wisst schon, Erde, Wasser, Luft und so. Mein Element
ist Sofa. Bedeutet: Bewegung, egal wo, ist grundsätzlich nichts, zu dem sich mein
Körper ganz von allein hingezogen fühlt. Jetzt nützt es ja nix, auch wenn ich
Expertenmeinungen gerne selbstgerecht in Frage stelle: eines hat mich mein
Leben mit dem Jojo-Effekt gelehrt – ganz ohne Leibesertüchtigung ist es
schwierig den eigenen Körper in Stand zu halten.
Vor etwa zehn Jahren habe
ich Yoga für mich entdeckt. Hier bitte, da habt ihr ein Klischee. Die Lehrerin
macht Yoga. Für mich als Sofa-Mensch steht bei dieser Form sich zu bewegen, das
Verhältnis zwischen Anstrengung und Effektivität genau im richtigen
Gleichgewicht. Außerdem bin ich beim Yoga auch in der Gruppe mit mir allein.
Wenn ich nicht möchte, muss ich mit niemandem reden. Wunderbar. Aber darum soll
es hier nicht gehen.
Kürzlich überredete mich
meine beste Freundin Sarah dazu, doch mal eine Probestunde in ihrem Fitnesskurs
zu besuchen. Hm, denke ich: Hallo Tellerrand, dann mach ich das doch mal.
„Komm
doch mal mit zum Hot-Iron“ sagte sie immer dann, wenn ich an meinem
Innenschenkelfett herumnörgelte.
„Muss
ich da beide Arme und beide Beine gleichzeitig koordinieren? Das kann ich
nämlich nicht!“ gab ich als Einwand zu bedenken.
„Nein!“,
antwortete sie (ein bisschen hatte sie gelogen, wie sich im Nachhinein
rausstellte).
„Muss
ich mich rhythmisch zu Musik bewegen? Das kann ich nämlich auch nicht!“ – der
Kampf war noch nicht verloren.
„Nein!“
antwortete sie abermals und log erneut.
„Okay,
ich sag dir gleich: ich habe weder Kraft noch Ausdauer.“ Immerhin galt es,
keine falschen Erwartungen zu schüren.
„Kein
Ding, antwortete sie, du kannst ja langsam anfangen.“ Dabei rechnete sie nicht
mit meinem Ehrgeiz.
„Ich hab dich mal zum
Probetraining angemeldet“ war das nächste. Zwei Tage später saß ich schon auf
dem Hinweg im Auto, verfluchte mich selbst für meine Entscheidung und fügte
Fitnesskurse gedanklich meiner Liste der Orte hinzu, die Misanthropen meiden sollten.
Der Fairness halber: es handelte sich beim Austragungsort weniger um ein
Fitnessstudio im klassischen Sinne als vielmehr um irgendwas Eklektisches,
zusammengesetzt aus Praxis, Physio und Mehrzweckraum. Also nix Ergometer und schweißschillernde Narzissten. Immerhin.
Als erstes zahlte ich 1,50€
für einen knappen Liter Wasser aus einem profanen Wasserhahn. Ganz schöne Preise für den Kubik-Liter Wasser
haben die hier in der Nachbarkleinstadt. „Nein“, klärt mich Sarah auf, "das ist
speziell gefiltert." Aaaaha. Der Verzehr von mitgebrachtem Wasser ist nicht
gestattet. Ich kann mir das jetzt kaum erklären aber irgendwas wehrt sich in
mir, das zu verstehen. Wie auch immer, wer schwitzt muss trinken und auch wenn
die Probestunde kostenlos ist, das Wasser ist es nicht. Vielleicht kann ich ja
ab morgen mit Tieren sprechen oder Farben schmecken. Ich gebe dem Zauberwasser
eine Chance.
Während wir im
gesellig-gesprächigen Grüppchen (ich nicht!) darauf warten, dass die Menschen, welche uns
eine Stunde lang den gleich notwendigen Sauerstoff aus dem Trainingsraum
geatmet haben, die Arena verlassen, höre ich von oben Trainergeschrei und
Musik. Ich unterdrücke den Fluchtreflex erfolgreich. Das Gefühl ähnelt diesem "Was hab ich mir nur dabei gedacht" wenn die Achterbahn anfährt.
Man baut also auf:
Steppdings, Matten, Hantelstangen, Gewichte – ein Equipment als würde man mit
dem A-Team einen improvisierten Hubschrauber zusammenschustern wollen. Was dann
folgt ist eine reichliche Stunde rhythmische Kniebeuge, Bankdrücken und anderes
Hantelgefuchtel. Sarah neben mir mit riesigen Gewichten und diesen
Handschuhdingern, die Gewichtheben professionell aussehen lassen und vermutlich ihre zarten Lady-Hände vor Schwielen schützen sollen.
Ich gebe zu:
ich rülpse ab und zu laut, kann sehr ordinär fluchen, weiß wie man mit nem
Fuchsschwanz umgeht, habe eine Wand unseres ehemaligen Badezimmers provisorisch gefliest und mochte noch nie Seifenopern aber wenn es um Hanteln –
also Langhanteln – geht, dann bin ich eine Lady. Wenn mein Auftrag ‚Ölwechsel bei einem Traktor' gewesen wäre, dann hätte ich mich vermutlich genauso deplatziert
gefühlt.
Das Tragen von Turnschuhen bei diesem Hantel-Popmusik-Inferno hat wahrscheinlich Gründe, die man spätestens versteht wenn einem das erste Gewicht über den kleinen Zeh gerollt ist. Für mich - den überzeugten Yogi - fühlt sich Leibesertüchtigung mit Schuhen an wie Sex mit Socken. Irgendwie nicht richtig.
Das Tragen von Turnschuhen bei diesem Hantel-Popmusik-Inferno hat wahrscheinlich Gründe, die man spätestens versteht wenn einem das erste Gewicht über den kleinen Zeh gerollt ist. Für mich - den überzeugten Yogi - fühlt sich Leibesertüchtigung mit Schuhen an wie Sex mit Socken. Irgendwie nicht richtig.
Diese ganze Gewichte-Stemmerei findet zu allem Übel noch vor einem
riesigen Spiegel statt. Klar. Ich geh zum Sport um meinen schwabbelnden Körper
beim Schwabbeln zuzugucken. Das ist fast so angenehm wie Umkleidekabinen bei H&M.
Ich habe mich früher beim Schulsport auf dem Schwebebalken immer sehr grazil gefühlt. Bis mir meine burschikose Sportlehrerin immer wieder Dreien gab. Mein sportliches Selbst wurde mit jedem weiteren „Befriedigend“ systematisch demontiert. In der Turnhalle von damals gab es eben keine überdimensionierten Spiegel, die mein trügerisches Körpergefühl mit der Reflexion unbarmherziger Realität erdeten.
Ich habe mich früher beim Schulsport auf dem Schwebebalken immer sehr grazil gefühlt. Bis mir meine burschikose Sportlehrerin immer wieder Dreien gab. Mein sportliches Selbst wurde mit jedem weiteren „Befriedigend“ systematisch demontiert. In der Turnhalle von damals gab es eben keine überdimensionierten Spiegel, die mein trügerisches Körpergefühl mit der Reflexion unbarmherziger Realität erdeten.
Die Trainerin war objektiv
betrachtet nett. Subjektiv betrachtet hasse ich JEDEN, der mir bei körperlicher
Anstrengung Motivation von außen zuzuführen versucht. Da mache ich auch vor
Familienmitgliedern nicht halt. Herr Müller kennt das und nimmt mein „Halt die Fresse!“ nicht persönlich, wenn wir einmal im Jahr zusammen laufen gehen. Ich
bin lieber allein mit mir wenn ich mich anstrenge.
Genauso ist es mit Lob. Geht mir auf den Nerv. Schlimm. Fürs erste Mal machst du das echt toll. Ach fickt euch doch. Ich bin Lehrer! Ich weiß, dass fast jedes Lob eine Lüge oder zumindest nur hübsch verkleidete äußere Motivation ist. Könnt ihr behalten. Lasst mich - ich kann das. Bin schon groß. Ich motiviere mich selbst. Oder eben nicht.
Genauso ist es mit Lob. Geht mir auf den Nerv. Schlimm. Fürs erste Mal machst du das echt toll. Ach fickt euch doch. Ich bin Lehrer! Ich weiß, dass fast jedes Lob eine Lüge oder zumindest nur hübsch verkleidete äußere Motivation ist. Könnt ihr behalten. Lasst mich - ich kann das. Bin schon groß. Ich motiviere mich selbst. Oder eben nicht.
Der Zauber ist vorbei nach
einer Entspannung am Schluss, die dem Yogi in mir alle Chakren erschüttert.
Während sich die restliche Gruppe gegenseitig
wieder sehr abstoßend motiviert indem alle ihre gesteigerten Gewichte in eine
große Flipchart-Tabelle eintragen, kuckt mich Sarah erwartungsvoll an, nicht
ohne ein anerkennend-freundschaftliches „Du hast dich echt gut angestellt“. „Das hier hat für
mich den Spaßfaktor von Laufen gehen.“ Mehr muss ich Sarah nicht sagen, sie
hasst Joggen genauso wie ich. Damit ist alles gesagt.
Was soll ich sagen: ich spreche dem Training seine
Effektivität nicht ab. Die Treppen zum Umkleideraum runter fühlen sich meine
Beine wie nahe zur Querschnittslähmung an, meine Füße gleichen denen der bösen
Königin aus Schneewittchen am Ende des Märchens. In den darauffolgenden Tagen
habe ich den Muskelkater meines Lebens, der mich nahezu erwerbs- nein –
bewegungsunfähig macht. Nachts kann weder Herr Müller noch ich selbst schlafen,
da ich bei jeder Bewegung vor lauter Schmerzen laut aufstöhne. Beim Aufstehen
oder Aussteigen aus dem Auto wirke ich wie eine Wöchnerin mit schlecht verheiltem
Dammriss.
Aber: ist es wirklich besser sich FÜR den Körper zu quälen,
den man sich wünscht als sich MIT dem Körper zu quälen, den man hat? Wasser,
welches erst durch neuseeländsiches Vulkangestein gefiltert und dann mit den
Tränen jungfräulicher Albino-Zebras veredelt wurde, kann mir die Sache auch
nicht schmackhaft machen. Trainerinnen mit militärischem Grundton erwarten mich
schon täglich hinter der Tür der Chefetage und dieses Hantelding… ich glaube
irgendwann würde ich mich selbst oder wen anderes damit ernsthaft verletzen.
Als wir gehen, empfiehlt mir Sarah noch am selben Abend ein
basisches Bad zu nehmen um dem Muskelkater vorzubeugen. Tue ich nicht. Ich muss
ja schließlich erstmal das Erlebte verbloggen. Vielleicht nehme ich Sarah
irgendwann mal mit zum Yoga, danach interviewe ich sie zu ihren Eindrücken und
mache auch einen Artikel daraus. Das wird sicher unterhaltsam.
ob ihr noch mehr als nur das Element SOFA mit mir teilt.
Köstlich und mal wieder genau meine Empfindungen widergespiegelt! Ich werde dann wohl doch mal Yoga testen...
AntwortenLöschenUnbedingt ausprobieren - allerdings steht und fällt es nach meiner Erfahrung mit der Yogalehrerin bzw. dem Lehrer ;-) Aber auch wenn man glaubt, das ist nur Hausfrauensport - hin und wieder kann ich die echten Sportler in meinem Freundeskreis doch noch überraschen mit dem was in mir steckt ;-)
LöschenLG
Frau Müller