Es
handelt sich hier wieder einmal um einen sehr nützlichen Sommerloch-Artikel, der
Eigenwahrnehmung und wertvolle Verbraucherinformationen klar voneinander
abgrenzt. Nicht.
Essen und Draußen, das ist
ja irgendwie so das Ding vieler Menschen. Kaum erlauben es die Temperaturen,
dass der Ketchup zum Steak nicht auf dem Teller gefriert, wird vor der Höhle das Feuer
entfacht und
schon tagt der Zentralrat der Grillrostgourmets. Beim Garen über Glut oder Gas
sind alle Ernährungsgesinnungen friedlich vereint. Waffenstillstand im kalten Krieg zwischen Discounterfleisch-Armee
und Vegiwurst-Guerilla. Im Angesicht der Glut sind alle Formfleisch-Teile
gleich. Egal ob Soja oder Hack-Tier. Hauptsache angekokeltes Essen. Und unter freiem Himmel. Ganz wichtig.
Ob in der Küche oder unter
freiem Himmel: abgesehen von ein paar Nostalgikern wurde wohl mittlerweile
der Großteil aller Mindestmaß-Denker über hinter vorgehaltener Grillzange geröstete Zucchini-Scheibchen
mit einem erweiterten Ernährungshorizont infiziert. Experimentelles Grillen ist
Teil eines Hypes rund ums Essen, der nicht selten schon absurde Züge annimmt.
Was bezüglich Nahrungsmittel und ihrer möglichen Kombinationen absurd ist,
erscheint mir allerdings äußerst subjektiv. Für mich persönlich beginnt es
schon bei der Rezeptur einiger (grüner) Smoothies oder ekligem Getreide-Schleimin Rotzkonsistenz, der mittels Früchten irgendwie zu etwas Essbaren verkleidet
werden soll. Okay, so allmählich verzettel ich mich.
FoodTrends sind der heißeste
Scheiß: Low Carb, Detox, Superfood, Hybrid-Food, Soulfood und wie sie nicht
alle heißen. Jeder findet wohl etwas, das er mit seinen Essens-, Koch- und
Einkaufsgewohnheiten vereinbaren kann. Davon verspricht sich Mensch dann maximales
Wohlbefinden, ewiges Leben und seelische Erleuchtung. Vielleicht auch einfach
nur weniger Dellen im Hintern. Schon wieder verzettelt. Wie auch immer: Essen
ist nicht mehr nur Nahrungsaufnahme zum Zwecke des Überlebens sondern
Lifestyle. Und weil auch die Müllerin nicht immer trendresistent ist, zuweilen sogar überzeugt ist, selbst welche zu kreieren, hat sie sich einen solchen Foodtrend selbst angetan:
Streetfood, zu deutsch „Straßenfresserchen“,
trifft die UrbanGrillers mitten ins Herz. Das Ganze deklarieren die
Veranstalter gerne gleich als Festival, denn das weckt die rebellischen
Wochenendaussteiger in uns. Während man nämlich früher gerne drei Tage nicht
geduscht und sich ausschließlich von Dosenravioli ernährt hat, lässt sich der
Kinderwagen von heute eher schlecht durch die Zeltstadt vier Kilometer hinter
der Hauptbühne manövrieren.
Also rumpelt der Erstgeborene des früheren Crowdsurfers
heute auf dem Kiddyboard übers Streetfood-Festival. Und alle fühlen sich dabei
furchtbar hip. Hurra, wir essen. Draußen. Yeah.
Profi- und Hobbyköche aus
aller Welt kommen also entweder mit Fuhrpark oder citytauglicher
Campingausrüstung in die Stadt gerollt und wollen dort Mamas Hausrezept an den
Hipster bringe. Frittiertes Bounty, langsam gegartes Faserfleisch vom Ringelschwanz und Würstchen im Pommesmantel feiern mit der Vegiwurst friedliche Kooexistenz. Wenn die
ganze Welt ein Streetfood-Festival wäre, gäbe es wohl keine Kriege. Essen unter
freiem Himmel hat scheinbar einen hohen Befriedungs-Effekt.
Das war’s allerdings auch
schon. Ich will ehrlich sein: solche Veranstaltungen sind nichts für Feierabend-Misanthropen
wie mich, besonders bei schönem Wetter. Sarah bringt das Problem des Abends auf
den Punkt, als wir am zweiten tooodschicken Büdchen mit megastylischer Außenwerbung
zwanzig Minuten für Süsskartoffelpommes anstehen:
„Können wir nicht einfach zum
Griechen geeeeehn????“
Ja, könnten wir. Wir könnten uns bei diesem wunderbaren
Wetter in den Biergarten setzen, der dank des Festivals menschenleer war und
uns dort fürstlich bedienen lassen.
Stattdessen stehen wir in einer Schlange voller Frauen. Ja, es war der vegane Foodtruck – neudeutsch für ein größeres Kfz mit Kochstelle und Verkaufsklappfenster. Vor uns Damen jenseits des Lebenszenits, hinter uns offenbar Schülerinnen, die sich nicht entscheiden können, ob sie ins Kino gehen oder sich Trend-Pommes leisten wollen. Richtig, Streetfood ist teuer. Aber ihr Weltverbesserer wolltet doch Pommes aus glücklichen Kartoffeln.
An dieser Stelle offenbart sich abgesehen vom kollektiven Freiluft-Spaß noch eine weitere Gemeinsamkeit zwischen temporären Fressbuden-Dörfchen und oben erwähnten parallelgesellschaftlichem Musikgenuss im Matsch. Wenn man es nämlich tatsächlich durchhält, dem Gelage ganz im Sinne eines Festivals ein volles Wochenende beizuwohnen, dann bemisst sich die Gesamthöhe der getätigten Investitionen in etwa auf der eines All-Inklusive-Rock-am-Ring-Tickets mit High-End-Line-up. Allerdings hat man dann gustatorisch auch eine kleine Weltreise zurückgelegt.
Stattdessen stehen wir in einer Schlange voller Frauen. Ja, es war der vegane Foodtruck – neudeutsch für ein größeres Kfz mit Kochstelle und Verkaufsklappfenster. Vor uns Damen jenseits des Lebenszenits, hinter uns offenbar Schülerinnen, die sich nicht entscheiden können, ob sie ins Kino gehen oder sich Trend-Pommes leisten wollen. Richtig, Streetfood ist teuer. Aber ihr Weltverbesserer wolltet doch Pommes aus glücklichen Kartoffeln.
An dieser Stelle offenbart sich abgesehen vom kollektiven Freiluft-Spaß noch eine weitere Gemeinsamkeit zwischen temporären Fressbuden-Dörfchen und oben erwähnten parallelgesellschaftlichem Musikgenuss im Matsch. Wenn man es nämlich tatsächlich durchhält, dem Gelage ganz im Sinne eines Festivals ein volles Wochenende beizuwohnen, dann bemisst sich die Gesamthöhe der getätigten Investitionen in etwa auf der eines All-Inklusive-Rock-am-Ring-Tickets mit High-End-Line-up. Allerdings hat man dann gustatorisch auch eine kleine Weltreise zurückgelegt.
Wie dem auch sei: Streetfood
in Kombination mit dem ersten sonnigen Wochenende des Jahres führt bei mir zu
gefährlicher Übermenschung. Da lob ich mir die von Sarahs Privatbauern-Connection selbst gewolfte Rostbratwurst vom
Kugelgrill auf meiner Terrasse in wohltuender Einsamkeit. Ich empfinde es als
Zumutung, mir die Welt mit manchen Menschen teilen zu müssen und so ein Trend,
der Großstadtflair in den kleinstädtisch eingeschränkten Genpool holt, hat
hohen Aufforderungscharakter für Personen aus allen Kategorien meines
Kuriositätenkabinetts. Ich sage nur Gestaltenvielfalt. Leider findet das Kollektiv-Gelage dann auch noch zu einer Tageszeit
statt, zu der Kinder nicht zwingend ins Bett gehören.
Wenn man das Glück hat, einen
der seltenen Stehtische zu erobern - wo Tische stehen, passen keine Menschen hin,
scheint sich der Veranstalter gedacht zu haben - kommt man sogar unter
Ausschluss des Asphalts in den Genuss seines Pastrami-Sandwichs oder dem Burger
mit dem amerikanischen It-Fleisch. Pulled Pork, das ist Fleisch wie in Frau
Müller Seniors Gulasch. Es zerfällt im Mund ohne kauendes Zutun und dank seiner zahnzwischenraumfreundlichen Fasrigkeit sorgt es für anhaltende Freude.
Mangelnde Sitzmöglichkeiten
stehen übrigens auch bei Marco, der an diesem Abend dank kürzlichem Sportunfall
mit Krücken unseren Behinderungsbeauftragten mimt und die Barrierefreiheit
checkt, ganz oben auf der Mängelliste. Mit beidseitiger Gehhilfe isst es sich Schlabber-Burger
eher schwierig im Stehen. Bei der Rückgabe der Pfandgläser verschafften ihm die
Teile allerdings einen echten Mitleids-Bonus in der Warteschlange.
Um Missverständnissen
vorzubeugen: Ich finde die Idee der Streetfood-Enthusiasten an sich nicht
schlecht. Und sind wir doch mal ehrlich:
Auch wenn die Preise im ersten Moment astronomisch sind: Wieviel kostet denn ein besserer Retorten-BURGER unter dem goldenen M? Eben!
Und ich meine: Halloooho. Der tätowierte Latino im Tanktop sieht recht glücklich aus beim multikulturellen Rindfleisch brutzeln. Ganz im Gegensatz zu Carsten in seiner Frittenuniform hinterm Franchise-Tresen. Das ist mir das Geld wert.
Auch wenn die Preise im ersten Moment astronomisch sind: Wieviel kostet denn ein besserer Retorten-BURGER unter dem goldenen M? Eben!
Und ich meine: Halloooho. Der tätowierte Latino im Tanktop sieht recht glücklich aus beim multikulturellen Rindfleisch brutzeln. Ganz im Gegensatz zu Carsten in seiner Frittenuniform hinterm Franchise-Tresen. Das ist mir das Geld wert.
Dass ich allgemein
inkompatibel bin für Veranstaltungen mit einer bestimmten Menschendichte pro
Quadratmeter ist nicht die Schuld der Veranstalter. Und schließlich bin ich
ganz insgesamt ein Fan von „Mal-über-den-Tellerrand-gucken“. Muss ja nicht
immer gleich die Gayparty oder eine Gruppenmasturbastion unter Vertriebsmitarbeitern sein. Internationale Essenstrends genügen auch.
Also macht das ruhig mal.
Geht am besten am Monatsanfang und bei Regenwetter zu solch einem Event. Esst vorher
nix, zieht euch flache Schuhe an, steckt Feuchttücher ein, nehmt nen Melkschemel
mit, trinkt euch auf dem Hinweg schon einen an und sorgt im Anschluss für
ausreichend Ruhe, um das Fresskoma auszukurieren. Guten Appetit wünscht Frau Müller, die gerade sehr entspannt alleine auf dem Sofa Tomatensalat mit mittelamerikanischer Avocado isst...
Mehr völlig objektiv unallltäglich Alltägliches aus
Absurdistan, der MüllerMansion oder anderen
nicht minder spektakulären Quellen gibts auf
Bis eben war ich noch drauf und dran einer eben solchen Veranstaltung durch meine Anwesenheit Glanz zu verleihen...
AntwortenLöschenNeeee, mach nur. Diese Veranstaltungen brauchen Menschen wie uns. Eben für den Glanz :-) Und das Essen ist echt lecker. Mit meinen Tipps aus dem letzten Abschnitt kannst du's schon wagen. Zahnstocher hab ich noch vergessen 😜
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