Lehrer sind auch nur Menschen. Und nicht jeder trifft sich abends mit Kolleginnen abwechselnd zum Nordic Walking oder zum Fortgeschrittenenkurs in Seidenmalerei. Ich denke ich bin das Kuckucksei im Lehrerzimmer. Etwa wie ein Veganer, der ausversehen Metzger geworden ist oder ein Pilot mit Höhenangst. Oder wie eine Franzi van Almsick, die immer wieder vom Schwebebalken fällt weil sie noch nie jemand ins Wasser geschubst hat.

Mittwoch, 1. März 2017

Der SchMärz ist da ...



Warnung: dieser Artikel enthält Halbwissen und Böswitz
 
Kürzlich wurden wieder tausende Kinositze durch weibliche Körperflüssigkeiten unhygienisch verunreinigt. Sogar von herrinnenlosen Gurken zwischen den Sitzen berichtete Social Media ganz seriös und investigativ. Die Hälfte der Kinobesucherinnen wusste angesichts der großen Dürre im heimischen Schlafzimmer wahrscheinlich gar nicht wie feucht sie werden können. Der Leser bzw. die Leserin ahnt: es geht um 50 Shades of Grey.

Wenn ich mich recht erinnere erschien Teil 1 dieses „Epos“ pünktlich am Valentinstag. Um den Film, der als Zielgruppe wohl hauptsächlich Frauen ins Herz bzw. den Unterleib trifft zu einem „Pärchen-Event“ zu vermarkten
Damit Kai seine Susi ins Kino schleppt weil er so wenigstens einmal im Jahr Sex hat, bei dem Susi nicht nur mitmacht wenn sie vorher lieblichen Rotwein getrunken und einen Porno gekuckt hat. Und Kai sitzt vor der Leinwand und wird mit einem Endzwanziger-Milliardär konfrontiert, der Susi feucht und willenlos macht. Susi muss sich eingestehen, dass aus Kai wohl nie ein Mr.Grey wird. Und Kai steht später im Baumarkt ratlos mit Susis Einkaufszettel vor den Kabelbindern obwohl er sich doch viel mehr für den Winkelschleifer interessiert...

Nachdem die Medien die Filmreihe, welche mehr ein Mommy-Porno ist, zum BDSM-Skandalstreifen gehypt haben, hat es für mich den Anschein als wird bei Teil 2 etwas tiefer gestapelt. Das Märchen „Die Schöne und das Biest“ in seiner Erwachsenenversion (weil es bei Disney zwar auch Liebeserklärungen im Blumenmeer aber eben keine Liebeskugeln und Spreizstangen gibt) wird für mein Empfinden gezielter NUR an die Frau gebracht. 
Ist doch auch viel ehrlicher. Ich wünsche den Männern, die dennoch die Vorprogramme der Previews (und dann natürlich auch noch den Film) erleben mussten maximale innere Stärke. Ihr erinnert euch, auch ich hatte mich zum Besuch einer Preview allein zu Recherchezwecken überreden lassen. Wie es mir dabei erging lest ihr hier.
  
Schaut man sich die Charakteristik der beiden Protagonisten des Films genauer an, könnte man hoffen dass Susi und Kai trotz des ganzen rosa-schwarzen Schmalz-Schmerz-Schischis so gar keinen Bock auf Über-Identifikation mit den Beiden haben.

Mr. Christian Grey  ist zwar unfassbar reich und extrem sexy, klug und fürchterlich gutaussehend. Hinter dem ganzen Glam steckt aber ein bemitleidenswerter Psychopath mit Kindheitstrauma, der gerettet werden muss. Tada – schon will Susi keinen Christian mehr und Kai fühlt sich auch schon besser bei der freiwilligen Feuerwehr.
Und dann Ana: das Mäuschen, die dem Psychopathen auf dem Leim geht, ihr Leben auch jenseits der „Folterkammer“ nach Mr.Grey ausrichtet. Nein, so möchte Susi, die Kai endlich das Stehpinkeln abgewöhnt hat, auch nicht leben.

Und trotzdem bleiben die Sehnsüchte: Susi möchte sich endlich mal fallen lassen und den Kopf ausschalten, am besten auf Knien, vor einem Mann der weiß was er will, ihren Respekt verdient hat und nach dem Akt nicht von ihr abfällt wie ein vollgesaugtes Blutegel…

Bevor ich jetzt die Masse der Frauen zwischen 18 und 70 gegen mich aufbringe: Ich habe die Bücher nie gelesen. In einem TV-Interview mit der Autorin habe ich neulich gehört, dass es ihr einziges Ziel war mit der Geschichte zu unterhalten. Hat sie gut gemacht. Kann man nichts dagegen sagen. Sonst wären die Bücher vermutlich nicht so erfolgreich gewesen. Mich haben sie einfach nicht interessiert. Ich habe später die Filme gesehen. Teil 1 widerwillig um wenigstens ein bisschen mitreden zu können. Teil 2 nun alleine aus Recherchezwecken. Um dem Halbwissen wenigsten ein kleines Fundament zu mauern.

Für mich hatte es den Anschein, dass mit dem Hype um SoG das Thema SM (Sadomasochismus) beziehungsweise BDSM (Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism) irgendwie salonfähiger werden sollte. Einerseits mag das eingetreten sein. Der Absatz von Peitschen, Fesseln und Augenbinden bei den Versandhäusern mit der neutralen Verpackung wird das wohl „beweisen“.

Alle möglichen TV-Formate haben SM zur besten Sendezeit in die Wohnzimmer transportiert. Jedes Boulevardmagazin hatte plötzlich Interviews mit "Szene-Insidern" im Vorabendprogramm. Der Baumarkt-Gag war aus den sozialen Medien nicht mehr wegzudenken. 
Was hat das Ganze gebracht? Paare wie Kai und Susi finden sich selbst jetzt nicht mehr ganz so pervers, wenn Susi wunde Knie hat weil Kai sie wie ein Hirsch in der Brunft mal ohne Rücksicht auf Verluste zehn Minuten über den Teppich gevögelt hat. Sie fühlen sich nun exklusiver, als Teil einer geheimen Gesellschaft die Grenzen überschreitet wenn sie sich Handschellen anlegen und sich im Doggystyle mal auf den Popo hauen.

Wie denken aber Personen, für die BDSM nicht nur eine Garantie für schmutzigen Sex nach dem Kinobesuch ist sondern vielleicht sogar eine Lebenseinstellung. Menschen die über Federn, Augenbinden und samtbezogene Peitschen nur müde lächeln.

Frauen zum Beispiel, für die „öffentliche“ Demütigung den größten Lustgewinn bedeutet und Männer die verantwortungsvoll aber dennoch dominant mit der ihnen überlassenen Kontrolle umgehen. Hat man es hier wirklich mit bemitleidenswerten Frauen zu tun, deren Schwäche sie zu Opfern kranker Machtbesessener werden lässt? Beides gescheiterte Existenzen, die im privaten wie gesellschaftlichen Leben längst verloren haben? Oder hat die kluge aber dennoch schmerzlich unterdrückte Frau am Ende sogar eine Chance den verkorksten Psycho umzukrempeln?

Nehmen wir uns noch ein anderes Bild vor: ein Mann, der den Wunsch hat sich einer Frau zu unterwerfen indem er ihre Stiefel leckt und sich dabei herabwürdigende Namen geben lässt. Die dominante Frau auf der anderen Seite, der es viel Einfühlungsvermögen abverlangt, dem Mann weder zu viel noch zu wenig Geringschätzung entgegenzubringen. Auch eine Seite des BDSM - die nun mal so gar nicht zur breitentauglichen Disney-Version passen will.

Die BDSM-Szene konnte und kann sicherlich auf eine Art P/R, wie sie diese Filme mit sich bringen verzichten. Das verantwortungsvolle und selbstbewusste Ausleben seiner eigenen individuellen Teilmenge von allem was unter den Oberbegriff SM fällt setzt eine Art Horizont voraus, der in rund 120 Minuten keinen Platz findet weil er aus Toleranz, Wertschätzung, Einfühlungsvermögen, Selbstbestimmtheit, Intelligenz und vielen Kompetenzen mehr besteht.

Ich möchte im anbrechenden Monat SchMärz, einen kleinen Beitrag zur Erweiterung der Grenzen (im Denken?) leisten. Weil ich die Geduld meiner geneigten Leserschaft aber nicht weiter mit meinem Halbwissen strapazieren will, habe ich mir gleich mehrere Expertinnen dazu geholt.

Zunächst wird uns meine liebe Freundin Frau Schwarz ab 14.03. den Monat der dunklen Begierde mit wunderbar direkten und ehrlichen Wortbildern aus ihrem Erfahrungsschatz als Domina versüßen. Fräulein Weiß erzählt uns in der darauf folgenden Woche ihre Sub-Geschichte. Den krönenden Abschluss bietet uns Ann Marie mit der Geschichte der O, wodurch für euch Literatur lebendig wird. Ihr dürft also gespannt sein...

Nächste Woche müsst ihr noch einmal mit meiner Wenigkeit an der Tastatur Vorlieb nehmen. Wie schon in den anderen Motto-Monaten steigere ich die Dosis langsam um meine Leser nicht zu überfordern. Ich öffne für euch das Nähkästchen und grabe mal eine meiner kleinen Erfahrungen aus...
Ihr dürft mich gerne auch auf Facebook 

3 Kommentare:

  1. Uhhhh :D Da bin ich SEHR gespannt!

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    1. Das darfst du auch sein, meine Liebe ;-) Wie gesagt, ich steigere langsam im Laufe des SchMärz ... wie "warm schlagen" bevor die großen Peitschen kommen :)))

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    2. Was für ein schöner Vergleich ;)

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