Lehrer sind auch nur Menschen. Und nicht jeder trifft sich abends mit Kolleginnen abwechselnd zum Nordic Walking oder zum Fortgeschrittenenkurs in Seidenmalerei. Ich denke ich bin das Kuckucksei im Lehrerzimmer. Etwa wie ein Veganer, der ausversehen Metzger geworden ist oder ein Pilot mit Höhenangst. Oder wie eine Franzi van Almsick, die immer wieder vom Schwebebalken fällt weil sie noch nie jemand ins Wasser geschubst hat.

Mittwoch, 4. Januar 2017

„Junksex“ und Dinkelbrot – Friends with Benefits Teil1


Im Teil 1 der vierteiligen "Friends with Benefits"-Reihe unternehme ich zunächst den Versuch zu erklären, warum Ehe meiner Meinung nach nicht unbedingt in die Altkleidersammlung gehört und beim Sex die Vielfalt nicht nur von der Stellung kommt. Oder reicht es euch, wenn ihr bei eurem allabendlichen Salat einfach den Sitzplatz am Tisch wechselt? 

Ich habe kürzlich im Radio eine Diskussion über das Für und Wider des Partnerschaftsmodells „Ehe“ gehört. Die Gegner nennen sie antiquiert, nicht zeitgemäß für eine Gesellschaft die so schnelllebig ist wie die Unsere. Stichwort Generation Y. Natürlich macht sich auch Frau Müller ihre Gedanken über soetwas. Ich gehöre zu den Ehe-Fans.

Meine Ehe ist eine überaus Glückliche. Das könnte aber auch daran liegen, dass unsere Art Ehe zu leben nicht unbedingt in allen Merkmalen der konventionellen Vorstellung von Ehe entspricht. Was wir vom „alten Modell“ übernommen haben, ist sicherlich einerseits der romantische Gedanke der lebenslangen Bekenntnis zueinander.

Eine Freundin hat mir mal diese hässliche Frage gestellt: „Denkst du, er ist der richtige für mich?“ – Ich habe mit einer Gegenfrage geantwortet: „Fühlst du dich mit der Vorstellung wohl, mit 67 abends neben ihm in Jogginghose auf dem Sofa zu sitzen?“ Wenn man bei diesem Gedanken nicht ins Zweifeln kommt, dann kann man meiner Ansicht nach getrost JA zum Antrag sagen.

Unsere Eltern, denen ich übrigens für ihre Art von Mitgift, uns ein wirklich funktionierendes Ehesystem vorzuleben, sehr dankbar bin, lagen uns mit „Drum prüfe, wer sich ewig bindet“ in den Ohren. Ich muss sagen, sie hatten Recht (wenigstens da - trotzdem sind vom Schielen nie meine Augen „stehen geblieben“ oder ist mein Hintern durch Verschlucken von Kaugummi zugeklebt). 
 
Die Ehe war für uns sozusagen die Belohnung für die gemeisterten Hürden in über zehn gemeinsamen Jahren. Kinder, Ausbildung, Studienabschluss, Bau: wenn man weiß, dass man auch in stressigen Zeiten zusammen funktioniert, dann kauft man die Katze nicht im Sack. 

An dieser Stelle unterscheidet sich unsere Ehe schon vom klassischen „Hochzeit-Hausbau-Kind“-Modell. Und an einem weiteren ganz entscheidenden Punkt wird UNSERE Ehe-Interpretation zu etwas Individuellem.

Wie fange ich es an. Vergleichen wir mal Sex mit Essen. Ich denke, da beides zu den Grundbedürfnissen im engeren und weiteren Sinne gehört, ist das gar nicht so weit hergeholt. Über die Auswirkungen des Verzichts auf eins von Beiden auf die Existenz lässt sich definitiv streiten und hier gibt es sicherlich individuelle Unterschiede.

Grundsätzlich lässt sich aber festhalten: man kann auf Beides vorübergehend verzichten – mit empfindlichen Auswirkungen aufs Wohlbefinden. Befriedigt man das Bedürfnis, geht es einem ausgezeichnet, besonders wenn man länger abstinent war. Hat man zu viel davon, kann sich dies kurzfristig negativ-positiv aufs körperliche und seelische Wohl auswirken.

Wir erleben das entweder als Fresskoma 
Dieser Zustand in dem man sich befindet, wenn man nach dem Besuch beim Lieblingsgriechen mit gefährlich gespannter Bauchdecke reglos auf dem Sofa versacken will und auf den möglichst sanft eintretenden Tod durch Überfressen wartet.
oder als Vögelgrippe.
Meist  am Sonntag nach einer wilden Nacht. Man verbringt den Tag im Bademantel ungekämmt und vor allem ohne Slip – Reibung unbedingt vermeiden. Montag dann leichter Muskelkater im Arm- und Schulterbereich.
 
Langfristig führt einseitige Ernährung bzw. einseitiger Sex zum Tod. Entweder durch Folgeerkrankungen von Fettleibigkeit bzw. durch die Fremdgehfolgen. Der Trick für ein langes (Beziehungs-)Leben ist Ausgewogenheit. Und hier ist wieder der Vergleich. Sex mit dem eigenen Partner ist die gesunde ausgewogene Vollkost, sie schmeckt uns immer gut und beschert uns ein gutes Körpergefühl.

Ein anderer Partner in diesem System wirkt wie Junkfood: Pizza, Süßkram, Schokolade - eigentlich alles mit zu viel Kohlehydraten. Man weiß, dass es nicht korrekt ist, aber man stürzt sich darauf wie ein Aasgeier, schlingt es in sich hinein und fühlt sich dabei ganz wunderbar. Isst man diese Gewissenskiller nicht zu oft, dann bleibt es immer wieder ein Highlight.

Wenn man natürlich ständig „junk-vögelt“ dann schmeckt „vollwert-vögeln“ irgendwann nicht mehr. Man braucht immer mehr Zuckerzeug und irgendwann stirbt der Patient an Fettsucht.

Was ist jetzt richtig? Immer nur Vollwert? Damit man irgendwann mit 102 Jahren in einem gesunden Körper stirbt, aber nichts erlebt hat außer gegrilltes Bio-Hähnchen, gedünstetes Gemüse und selbstgebackenes Dinkelbrot? Auch der ausschließlich reformhäusisch ernährte Körper stirbt – aber womöglich mit der Erkenntnis, nie Schwarzwälder Kirschtorte oder ein Snickers genossen zu haben.

Ich meine, JA – gesund ist lecker. Aber wenn ich wüsste, dass ich NIE etwas anderes essen darf, dann würde ich Panikattacken bekommen. Man muss sich beides erlauben. Niemand fühlt sich wohl als Geisel seiner eigenen Regeln.

Was hat jetzt das eine mit dem anderen zu tun? Natürlich würde man sich selbst sofort das Recht auf Junkfood einräumen, aber gönnt man diese gelegentlichen Exzesse auch seinem Partner? Wenn man liebt, sollte man ja gönnen können. Sagt sich so leicht. Aber schafft man das auch? Frau Müller kann das. Und ihr Mann zum Glück auch.

Der Trick ist, sich gemeinsam den Bauch voll zu hauen. Und gemeinsam fremd“junk“vögeln. Dann kann keiner dem anderen mit der „Was hast du nur getan“-Leier kommen.

Und noch eine Gemeinsamkeit der Bedürfnisse „Essen“ und „Sex“ macht man sich hier zu Nutze. Meistens schmeckt es in GUTER Gesellschaft besser. Es kann sogar unglaublich appetitanregend sein.

Halten wir ohne Umschweife, bildhafte Vergleiche und Parabeln fest: wir haben gerne (und regelmäßig) Sex zu viert. Uuuuuh, denken die Einen, das hätte ich auch gerne. Haha macht es bei den Anderen, schreiben kann man ja viel. Und iiiiih, denken alle die glauben, dass Sex ohne Liebe nicht funktioniert. 

Also ich liebe gesunde Vollkost, mit ihr geht’s mir echt gut, aber so ein Döner zwischendurch ist schon extrem geil. Bleiben die Uuuuh- und Haha-Leute, die an dieser Stelle nach Details hungern. Dazu bald mehr.

Die Tatsache, dass wir uns BEIDE unter bestimmten Bedingungen „Junk-Sex“ erlauben und damit die gängige Vorstellung von Monogamie an unsere Bedürfnisse anpassen, hat unserer Ehe keineswegs geschadet, sondern sie eher bereichert.

Wir führen nicht eine Ehe sondern „unsere Ehe“. Und die läuft ziemlich rund. Wir würden es übrigens immer wieder tun, also heiraten… und zu viert vögeln auch. Wenn man aus der Ehe das macht, was einem gefällt und nicht das was die Gesellschaft gerne hätte, dann ist sie auch gar nicht so schlecht.

Im zweiten Teil nehme ich euch im Artikel "Routenplaner in die Sexprärie" mit auf eine kleine Reise in unsere mittelfristige Vergangenheit und damit in die Krabbelphase unseres neuen Sexlebens. 

Und hier alle Links der Reihe:
Teil 4 "Was Mathe, Memory und Sex gemeinsam haben" . 
Das Resüme gibt es HIER.
Und unter dem Suchbegriff "Quattroehe" gibt's noch mehr.... 

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das geht am besten HIER.  


7 Kommentare:

  1. Je besser solche locker-flockigen Bürger-Schreck-Konstrukte "funktionieren" - desto weniger kaufe ich sie ab, kurz gesagt. Die Realität zeichnet sich - sehr im Gegensatz zu wohlfeilen Kalenderspruch-Weisheiten - weder durch übertriebene Plausibilität noch eindimensionale Funktionalität aus. Ob die freie Liebe der ach-so-gefeierten *Achtundsechziger"-Nomenklatur oder literarisch überspreizte Säulenheilige à la Sartre-Beauvoir plus Konsorten - Reagenzglas-Mathematik, auch soziologisch-sexuell gemünzt, überlebt auf der freien Wildbahn keine zwei Minuten, wie die korrosive Lebenserfahrung Tag für Tag unerbittlich lehrt, und unsere kreatürliche Wollust, etwas vom Komplexesten und Widerborstigsten überhaupt, ist weder heute noch gestern noch morgen das didaktisch stubenreine Schosshündchen, das sich programmatisch geschniegelt domestizieren liesse - gleichgültig wie illuster-anheimelnd sich dies in ziselierter Memoirenform ausnehmen mag. Ja, das ist bitter. Unter anderem hieran liegt es wohl auch, dass all diesen Liebesglück-"Patentlösungs"-Publikationen, und erst recht auch den schick-subversiven darunter, stets dieser grenzenlos bedrückende Mief des verbissen Rechthaberischen anhaften will - naja, muss der Autor respektive die Autorin doch jeweils allen voran zunächst einmal sich selber vom grenzenlos hehren Wahrheitsgehalt überzeugen, gelle...

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    1. Ich lass das einfach mal so stehen. Wer allerdings "Mief des Rechthaberischen" herausließt der hat mit den falschen Augen gelesen. Aber wir lesen ja immer nur das was wir lesen wollen. Und irgendeine intolerante BOTSCHAFT in viel zu kryptische Floskeln einzukleiden damit der Leser nicht merkt dass hier einfach nur ein pseudointellektueller Egomane an der Tastatur ist ist auch nicht meine Natur. Aber danke fürs Kommentieren und für deine Zeit.
      Beste Grüße
      Frau Müller

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  2. I evsry time spent my half ann hour too read this
    webpage's articles everyday along with a mug of coffee.

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  3. Das beste Zitat im ganzen Text muss ich jetzt mal herausstellen: "Wir führen nicht eine Ehe sondern „unsere Ehe“."
    Ich finde, das umschreibt ganz perfekt, dass es nicht ein Modell für eine gelungene Ehe gibt, sondern vermutlich Hunderte. Jeder muss das Modell finden, das zu ihm selbst und dem Partner passt - und dann funktioniert das auch, völlig egal, ob das nun monogam, polyamourös, asexuell oder sonstwas ist. Es gibt kein Patentrezept. Gut, dass wir uns so langsam von der Vorstellung verabschieden, dass es nur einen richtigen Weg geben kann.

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    1. Langsam ... gaaaanz laaangsam. Was mir Sorgen macht ist, dass Ehe mittlerweile allgemein als nicht mehr zeitgemäß betrachtet wird. Schade eigentlich. Das einzige was nicht zeitgemäß ist, sind viele der Wert- und Moralvorstellungen, die mit der Ehe verknüpft sind.

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  4. Ich finde, dass im obenstehenden Text ziemlich deutlich rüberkam, dass es eben genau nicht darum geht, ein Patentrezept zu empfehlen, sondern das jede/r selbst den Weg finden muss, der für ihn/sie der richtige ist.

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    1. Richtig - und der kann zuweilen auch steinig sein und ggf in Sackgassen führen. Auch das ist möglich. Notfalls eben wenden - und wenns sein muss in 20 Zügen ;-)

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