Lehrer sind auch nur Menschen. Und nicht jeder trifft sich abends mit Kolleginnen abwechselnd zum Nordic Walking oder zum Fortgeschrittenenkurs in Seidenmalerei. Ich denke ich bin das Kuckucksei im Lehrerzimmer. Etwa wie ein Veganer, der ausversehen Metzger geworden ist oder ein Pilot mit Höhenangst. Oder wie eine Franzi van Almsick, die immer wieder vom Schwebebalken fällt weil sie noch nie jemand ins Wasser geschubst hat.

Mittwoch, 10. Januar 2018

Ich war da mal im Swingerclub und dann...: Schlappen for Gentlemen - Der Swinger Dresscode

Wie schon im letzten Januar mit der "Friends with Benefits"-Reihe wird es auch zum Jahresbeginn 2018 wieder etwas schlüpfriger. Im Einstiegsartikel habe ich euch für die Glückshormonmangeljahreszeit einen Inkognito-Ausflug in den Swingerclub angekündigt, mit dem ich euch möglicherweise Entscheidungshilfen zur "Soll ich's wirklich machen?"-Frage gebe oder euch eben wie immer einfach nur unterhalte. Unterhaltung war schon immer eher mein Mehrwert als Information, zumal Recherche bei mir in der Regel eine gesunde Mischung aus Meinung und Erfahrung ist. Wenn's dann nicht nur lustig sondern auch noch interessant für den Leser ist, dann freut es mich doppelt. Daher war ich bemüht, meine subjektiven Informationen gewohnt unterhaltsam zu verpacken. Heute also Antworten auf die Gretchenfrage: WAS ziehe ich bloß an???
Verzeiht mir, dass ich eingangs noch ein wenig über Menschen schimpfe. Unsere Spezies macht es einem aber auch echt nicht leicht...


Menschen. Schwieriges Thema. Fast so schwierig wie das Thema Swingerclub. Aber nur fast. Ein Problem an Menschen ist, dass diejenigen mit der wenigsten Ahnung oft die meiste Meinung haben. Wenn es um Swingerclubs und Swinger geht, basiert die Meinung vieler auf dem umfassenden Studium diverser RTL2-Reportagen im Spätprogramm und einem Weltbild, bei dem Sex aus zwei Menschen besteht, die sich züchtig bedeckt von günstigstenfalls expressionistisch gemusterter Baumwollbettwäsche exakt 7 Minuten Freitagabend nach dem Baden in Missionarsstellung begatten, selbstverständlich ausschließlich zum Zwecke der Fortpflanzung. 

Zwischen diesem gesellschaftlich akzeptiertem Lebensmodell und abartiger, kranker, ja sogar tiergleicher Perversion in der es wahllos jeder mit jedem treibt in einer Atmosphäre, die durch Schweißgeruch und Geräuschen aus aufeinander klatschendem Fleisch abgerundet wird, gibt es NICHTS.

Menschen eben. Da gibt es (angehende) Journalistinnen, die mit erstgenannter Einstellung zu Recherchezwecken einen Club oder eine Erotikmesse besuchen, verstört bis traumatisiert ihre durch den Blümchen-Glitzer-Filter getippten Halbwahrheiten unters Volk bringen und in Christel, Getrud oder Margarete ihre Gefolgschaft finden und die gemeinsam allen Befürwortern solcher Veranstaltungen von ihrem Küchenschrank aus das Attest „Geisteskrank, Pervers und Beziehungsunfähig“ ausstellen. Diskutieren mit diesen Menschen erinnert wie so oft an das Schachspiel mit der Taube, die irgendwann alle Figuren umwirft, aufs Brett kackt und davonstolziert.

Wir sind keine Swinger im klassichen Sinne. Die Müllers leben in einer Vierecksbeziehung, die HIER im Blog ausführliche Erwähnung fand, haben aber, bevor sie zu dieser Lebensweise fanden, einigekleinere Erfahrungen in dieser Szene gesammelt. Kein ErfahrungsSCHATZ sicherlich, aber mehr Meinungsgrundlage als die Recherche dieser Pseudo-Philanthropinnen und Möchtegern-Moralapostel.

Swingerclubs sind für die meisten von uns ein bisschen wie die Königreichssäle der Zeugen Jehovas. Wir fahren mit dem Auto daran vorbei und denken: was mag sich hinter diesen Wänden wohl abspielen. Wenn wir einen Blick auf die Menschen erhaschen können, die hineingehen, urteilen wir. Wir schätzen ein. Aaaah, solche sind das also. Die Leute brauchen Klischees, sie geben ihnen Sicherheit, helfen ihnen zu verstehen. Und Klischees haben durchaus ihre Berechtigung. Manchmal. Weil sich viele von uns eben auch redlich bemühen, diese Klischees zu bedienen. Swinger und Nicht-Swinger gleichermaßen.

Was sind das also für Leute, die da hin gehen? Und vor allem warum? Und was tun sie dort, um Himmels Willen. Einfache Antwort: Reingehen, ficken wie die Tiere – am liebsten zu zehnt, eine rauchen und heimgehen. NICHT! Da wären wir wieder bei den Klischees…

Die Menschen und heute vor allem erst einmal ihre Kleidung zwischen Barhockern, Whirlpool und Kunstledermatratzen schauen wir uns genauer an. Kalt-warmes Buffet, Swingerpaten und Herrenüberschuss sind nur einige wenige der Schlüsselwörter, die ich mir vorgenommen habe in meinen nächsten Artikeln ausführlicher zu erörtern, um etwas Licht in die dunklen Clubecken zu bringen. 
Nicht einmal unbedingt um die Leser für’s Swingen und den Club zu begeistern, sondern um Vorurteile abzubauen. Völkerverständigung für Aufgeschlossene sozusagen.
Das geht ohnehin nur bei Menschen, die bereit sind auch mal über den Tellerrand zu schauen, egal ob das, was dahinter liegt ihrem Geschmack entspricht oder nicht. Bei allen Ausführungen handelt es sich immer um MEINE ganz individuelle Meinung und meine Erfahrungen. Für den Mitherausgeber eines Club-Leitfadens für Deutschland reicht mein Radius zwar nicht aus, aber dennoch kenne ich von mehr als einem Swingerclub nicht nur die Website.

Kleidung soll heute der Einstieg sein. Kleidung ist wichtig für die meisten von uns. Mal ist sie unser Schildkrötenpanzer, mal kehrt sie unser Innerstes nach Außen. Wie gerne würde ich mindestens am Montag im Plüscheinteiler zur Arbeit gehen. Die Begeisterung für Textilen verbindet uns.  Auch für Swinger ist Kleidung – oh Wunder, man glaubt es kaum – ein Thema. Dazu eine kleine authentische Episode aus der müllerschen Historie:

Wir hatten damals einen recht netten Abend im Swingerclub. Unsere Männer hatten sich im Vorfeld fast mehr Gedanken um ihr Outfit gemacht als wir Ladys. Sie entschieden sich schließlich für eine klassische schwarze Hose zum Hemd, dazu schwarze Lederschuhe. Die beiden sahen toll aus und waren auch nicht allein mit ihrem Outfit, wenn sie auch die Unterzahl darstellten zwischen der Masse an Männern in Schlappen und Unterwäsche. Keiner, nicht einmal die Gastgeber, sahen irgendein Problem.

Zwei Tage später erreichte uns (und unser Begleitpaar) eine aufgebrachte Mail eines Mitglieds in dem Forum für sexuell Aufgeschlossene, in dem auch wir uns gelegentlich aufhielten. Wir kannten diese Person nicht, auch nicht vom Clubabend.
Hier die Mail (Originaltext):

hallo, sicher seit ihr beiden ein sehr nettes paar, nur finden wir es ein unding das Männer sich in straßenkleidung und mit straßenschuhe da aufhalten dürfen, sorry aber wer sich als mann als gentleman gibt, der sollte wissen was sich gehört, wir finden dieses verhaslten gehört sich jedoch nicht.... wie gesagt unsere meinung dazu !!!!

Wir überlegten, ob wir überhaupt antworten sollten, wollten das aber so auch nicht stehen lassen und ließen uns zu einer „knappen" Antwort hinreißen:

Liebe Swinger-Sittenpolizei,

1. Wir denken dass gerade in der Swinger-Szene eine gewisse Grundtoleranz vorausgesetzt werden kann. Daher kämen wir nie auf die Idee irgendwen wegen seiner aus unserer Sicht unpassenden Garderobe zu rügen. Wenn wir darauf aus wären, hätten wir vielleicht an diesem Abend die obere Etage nie erreicht, sondern mehrere Stunden an der Bar eine Mängelliste erarbeitet.

2. Eurer Meinung nach sind klassische schwarze Lederschuhe Straßenschuhe - mag sein. Unserer Meinung nach sind Adiletten oder Birkenstocks allenfalls was für den Garten, das Schwimmbad oder um unter dem Sofa daheim zu vergammeln.

3. Die Damen locken mit sexy Highheels und die Herren???? "Aaaah, ich steh auf deine Badelatschen...mmmh... die machen so ein sexy Bein...." - ihr versteht????

4. Es gibt schlimmere Vergehen im SC - angefasst werden ohne gefragt worden zu sein, benutzte Kleenex auf den Spielwiesen ... - ist uns alles schon passiert, an diesem oder anderen Abenden. Und was haben wir getan? NICHTS - ein Auge zu gedrückt. Toleranz ist das Zauberwort.

5. Die individuellen Definitionen von stilvoller Kleidung scheinen weit auseinander zu gehen. Wir finden eine klassische schwarze Hose, schwarze Schuhe und ein Hemd wesentlich stilvoller als Unterwäsche beim Herrn. Dem ein oder anderen Anwesenden hätte das auch wesentlich besser gestanden. Mit unserer Meinung stehen wir übrigens nicht alleine da, in vielen exklusiven Clubs sind die von euch bevorzugten Schlappen und die Herrenwäsche zum Beispiel ein No-Go. Tipp: Erweitert euren Erfahrungshorizont, das schafft auf Dauer auch Toleranz.

6. Ach ja: Wenn einem was nicht passt, dann sollte man schon so viel Mumm haben, das Problem gleich anzusprechen und nicht erst Tage später mit einer Copy-Paste-Mail all die jenigen belästigen, die einem vor zwei Tagen nicht gepasst haben.

7. Wir haben, um unsere Bildungslücke zu schließen, den Begriff "Gentlemen" gegoogelt und viele Bilder studiert. Es waren eher weniger Bilder von Männern in Badeschlappen, Gesundheitslatschen und Netzunterwäsche dabei.

Und jetzt wünschen wir euch noch einen schönen Abend und beim nächsten Clubbesuch Menschen mit mehr Stil in eurer Gesellschaft.


Notiz am Rande: Herr Müller trug an diesem Abend die gleichen Schuhe, die er zu unserer Hochzeit trug. Haben wir eventuell schon damals etwas falsch gemacht und wären Schlappen vielleicht die bessere Wahl gewesen?

 
Ihr merkt wahrscheinlich. Ein Swingerclub ist keine andere Welt, eigentlich nur eine verkleinerte Version der Welt, in der wir leben. Nur mit höherer Kleenex-Dichte.

Wie kleidet sich denn nun der (Neu)Swinger korrekt, um nicht gleich beim Betreten (negativ) aufzufallen, wie das Lämmchen im Wolfsrudel. Beginnen wir von oben nach unten. 

Hüte und Mützen sind unangebracht, es ist warm im Club und zu große Hutkrempen behindern die Kontaktaufnahme. Ebenso ungeeignet sind aufwändige Frisuren bei den Damen: Haarnadeln und Klemmen findet man im Dunklen schlecht (Schmuck auch) und Hochsteckfrisuren sind im Pärchenclub genauso bedroht wie zu Hause – wenn es zur Sache gehen sollte. Haare waschen und hübsch kämmen reicht. Ein Haargummi ist jedoch eine großartige Sache. Bei mir ist es beim Essen das gleiche wie beim Sex. Ich hasse Haare im Gesicht. In richtig guten Clubs liegen Haargummis sogar in den Bädern und Duschen aus - auch die verliert man leicht im Gefecht.

Ähnlich verhält es sich mit kompliziertem Make-up. Wasserfest ist nützlich. Künstliche Wimpern sind dann peinlich, wenn sie irgendwann auf deiner oder der Stirn deines Gegenübers kleben. Oder am Hintern oder weiß der Geier wo.Profi-Tipp an die Männer: übertreibt es mit dem Rasierwasser nicht! Das schmeckt beim Knutschen auf Dauer als hätte ich versucht Benzin zu klauen und zu lange am Schlauch gesaugt. Bäh.

Frauen wie Männer müssen nicht unbedingt Kunde bei Beate Uhse sein. Mir persönlich gefallen Männer in Lack, Netz und Nieten nicht. Egal ob sie 25 oder 65 sind, egal ob sich das Netz über einem Bierbauch oder einem Sixpack spannt. Da ist mir ein nackter Oberkörper (durchschnittlich definiert reicht völlig) lieber, gerne hübsch dekoriert mit Hosenträgern oder einer Fliege. Der beste Mittelweg ist ein schickes Hemd, damit macht man in den richtigen Clubs nichts falsch – solange es kein Kurzärmliges ist. Bitte, ihr seid keine Busfahrer. Und wenn doch, nicht im Dienst.

Logischerweise sieht zum Herrenhemd ein Schlüpfer beknackt aus. Ich finde, zu allem eigentlich. Nackte Männerbeine sind optisch meistens nicht so die Skyline, vor allem wenn sie oben von schwarzem Lederimitat/Baumwolle/Netz begrenzt werden und unten von Socken. Zu den Schuhen kommen wir gleich. Eine lange Hose – KEINE JEANS: Die sind in den meisten Dresscodes verboten. Wenn es schon Unterwäsche als Oberbekleidung sein muss, dann aber kein Feinripp. Das hab ich allerdings auch noch nie in freier Wildbahn gesehen. Ausgeleierte Karoboxershorts aber schon.

Als Schuhwerk für die Herrn empfehle ich den klassischen schwarzen Lederschuh. Für die Spezialisten meinetwegen diese Fetisch-Lederstiefel mit Plateau und tausenddreihundert Schnallen dran. Ich selbst finde die ziemlich unerotisch aber allemal besser als Badeschlappen oder Gesundheitslatschen. Wenn du als Mann allerdings nur knapp 1,65m misst, rate ich von diesen globigen Fetischtretern ab. Damit wirkst du ansonsten wie deine eigene Karikatur oder diese Puppen mit den riesigen Füßen, kennt ihr vielleicht. Strings und Socken laufen unter Kriegsverbrechen und finden daher keine weitere Erwähnung.
Nicht alle Frauen wirken wie die FSK18-Version des Sports Illustrated-Covers in Unterwäsche. Das darf auch gerne so sein. Deshalb ist es aber auch völlig unnötig in sehr grobmaschigem Netz, String oder gar nur in Unterwäsche aufzutreten. Ein Kleidchen – gerne das Kleid, welches du dir zur Firmenweihnachtsfeier gekauft, dann aber doch ein anderes angezogen hast, weil dir der Ausschnitt des Neuerwerbs zu groß und der Saum zu knapp war für den Chef. Ihr versteht. Fühlt euch wohl. Ihr seid nicht das, was beim Metzger hinter dem gläsernen Nießschutz liegt. 

Im Club ist der Kimono oder ein hübscher Morgenmantel das, was für die Lehrerin die Strickjacke ist, ein Stückchen Zuhause zum Anziehen.
Denkbar für die Mutigern sind auch Negligés, also diese sexy Nachthemdchen bei denen man sich im Laden immer fragt, wann zur Hölle man sowas anzieht, Miniröcke, Hotpants oder Corsagen. Bei Corsagen mahne ich allerdings zur Obacht – je nach Verlauf des Abends müsst ihr euch bewusst sein dass ihr die 25 Häckchen mehrfach im Dunklen öffnen und schließen werden müsst, heißt rund 150mal Friemelei. Aber jeder wie er mag.
 
Ein wahres Königreich erwartet Frauen bei der Auswahl der Fußbekleidung. Von schlichten Pumps über Sandaletten bis Highheels und Overkneestiefel geht alles. Hauptsache sexy. Nein halt, hauptsache ihr könnt drin gehen. Nicht viel. Überwiegend sitzt oder liegt man. Liegenderweise dann ohne Schuhe, da Absätze eine Gefahr für Mensch und Matratze darstellen. Dennoch ist nichts lächerlicher als eine Frau, die auf 14cm läuft wie ein Storch im Froschtümpel. Weniger ist manchmal mehr…

Gute Clubs erwarten in ihrem Dresscode schlichtweg Abendgarderobe. Und in GUTEN Clubs halten sich die Gäste daran. Das verhindert, dass euch Berta als Rollbraten im Netzcatsuit und Manfred mit Lackbuchse und Körperhaarpulli schon an der Bar den Appetit auf’s Buffet und mehr verderben.

Buffet ist ein gutes Schlusswort. Stellt euch vor, es gibt Menschen, die gehen in den Swingerclub - unter anderem weil es dort leckeres Essen gibt. Müllers zählen auch dazu. Das ganze Menü, ein passendes Anekdötchen, ein Plädoyer für Sauberkeit und natürlich mehr über die Menschen auf den Matten gibt’s in den nächsten Blogposts - ab 17.Januar.

So wie sich euer Leben vermutlich
nicht ausschließlich um Schweinskram
dreht (wäre schön eigentlich), schreibt auch
Frau Müller nicht ausschließlich über
eben jenen. Wer trotzdem mitlesen will,
und dann auf "Gefällt mir".




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