Lehrer sind auch nur Menschen. Und nicht jeder trifft sich abends mit Kolleginnen abwechselnd zum Nordic Walking oder zum Fortgeschrittenenkurs in Seidenmalerei. Ich denke ich bin das Kuckucksei im Lehrerzimmer. Etwa wie ein Veganer, der ausversehen Metzger geworden ist oder ein Pilot mit Höhenangst. Oder wie eine Franzi van Almsick, die immer wieder vom Schwebebalken fällt weil sie noch nie jemand ins Wasser geschubst hat.

Sonntag, 26. Februar 2017

Fasching oder nicht: Verkleidet euch! (Die Welt bleibt auch ernst wenn ihr Mickey Mäuse seid)



Es ist Unterstufen-Konferenz. Themen für Projekttage werden entschieden, Ausflüge geplant, die Höhepunkte des Schuljahres besprochen. Bei einem Programmpunkt wird es plötzlich unruhig. Beim Blick auf den Kalender, in dem längst alle Ferienzeiten eingetragen sind, fällt es manchen Kollegen wie Schuppen aus den Haaren: FASCHING fällt in diesem Jahr auf einen Schultag. 
Sie beunruhigen jedoch nicht die schulorganisatorischen Hürden wie zum Beispiel veränderter Stundenplan, Pfannkuchen-Beschaffung, Beschäftigungsmöglichkeiten und allgemein Kinder „aus dem Häuschen“.
 
Nein, es ist vor allem das unausgesprochene Gesetzt: zumindest Unterstufen-Lehrer erscheinen kostümiert. Für mich keine große Herausforderung. Ich brauch nicht lange überlegen. Ein Griff in den Kleiderschrank, dazu Mäuseohren sowie Schnurrhaare und ich gebe eine perfekte Minnie-Maus ab. Den Kinder wird’s gefallen, auch die freuen sich schon wie irre und erzählen seit acht Wochen von zehn bis zwölf verschiedenen Kostümwünschen, die sie in die engere Auswahl ziehen. Mal als Prinzessin, Polizist oder Indianer in die Schule: dieses Privileg hat man sonst nur, wenn man Teil der aufführenden Elite zum Schulanfangsprogramm ist.

Ich werde mich an dem Tag nicht unwohler fühlen als sonst. Für den Großteil meiner lieben Kollegen bedeutet Kostümpflicht allerdings Verletzung ihrer „Menschenrechte“. Aber warum ist das so? Warum lieben wir es entweder uns zu verkleiden oder wir hassen es? 


Vorweg: meine Liebe zum Fasching erstreckt auf die Notwenigkeit von Kostümen und das Abhalten von Tanzveranstaltungen, deren einziger Sinn es ist Spaß zu haben. Ich bin kein Fan von  traditionellen Sachen, wie dieses ganze Bütten-Zeugs oder Karnevalsumzüge, für mich persönlich der reinste Horror – vor allem wenn es mir im Fernsehen begegnet. Allenfalls für die Heiratsbüros kann ich mich noch begeistern. Aber wie es kürzlich schon mal hieß: Jedem Tierchen sein Pläsierchen. 

 Ich bin auch zu bequem zu recherchieren, wo der Unterschied zwischen Fasching, Fasnacht und Karneval liegt, was wo hin gehört und überhaupt. Primär soll es auch nicht um die sogenannte „Fünfte Jahreszeit“ gehen. Es geht viel mehr ums verkleiden. Darum warum ich es so gerne tue und darum warum auch IHR es mal probieren solltet.

Ich würde mal behaupten, ich verkleide mich schon immer gerne. Als Kind gab ich Teufelchen, Prinzessin, Squaw, Biene und Rotkäppchen. Frau Müller Senior war virtuos an der Nähmaschine. Im Jugendalter wurde Fasching uncool, dafür war die LoveParade willkommener Anlass sich mal ganz und gar alltagsUNtauglich in Schale zu werfen. Im selbst genähten roten Pailetten-Outfit (die gleiche Nähmaschine, die auch schon das Teufelchen ans Licht der Welt holte)  tanzte ich gleich mehrere Jahre um die Siegessäule. 

Rund 20 Jahre und zwei Kinder her :-o

Später waren die ersten Mottopartys Grund zur kreativen Verkleidung. Im FakeFur-Mantel und gelb-schwarzem Hahnentritt-Kostüm gab ich unter den Serienstars eine super Nanny Fine ab. Die Golden Girls konnte allerdings selbst ich nicht toppen. Auch nicht den Mut der beiden Mädels in Stützstrümpfen, Lockenperücke, Strickjacke, Pantoffeln und Uralt-Brille tanken zu gehen. Zur Ossi-Party im Popgymnastik-Outfit mit pinken Stulpen zu Leggings und Einteiler? Jederzeit wieder.
Aus einer Zeit in den man noch einen Film in die Kamera legen musste
Als Mama verlor ich den Spaß an so etwas zunächst aus den Augen. Vielleicht war ich zu ernsthaft dafür. Ich war in der ersten Zeit als Jung-Mama nicht immer ich selbst. Einen kleinen Einblick was genau ich damit meine gibt es in diesem Blogartikel, einen größeren später auf dem Blog. Natürlich waren die beiden kleinen Müllers immer perfekt ausgestattet zum Fasching. Ich selbst verlor hinter meinem Erziehungs-, Bildungs- und Intensivförderauftrag so einiges aus dem Auge was MICH ausmacht. Und logisch ist es mit Kleinkind in einer Stadt fern der Heimat organisatorisch auch nicht die leichteste Übung sich Freiräume für eine Faschingsparty zu schaffen... 

Ich war inzwischen als Mama schon viel entspannter als wir vor knapp drei Jahren Sarah und Marco kennenlernten. Vor allem für Sarah und ihre Freundin Mandy ist Fasching und das damit verbundene Verkleiden schon seit ihrer Jugend ein Highlight im Jahreslauf. Marco stieß dazu und wurde sofort vom Virus infiziert. Mandy verfügt über einen beachtlichen Fundus und ist so etwas wie die letzte Kostümierungsinstanz. Das ganze Jahr über ist sie im Rahmen ihrer Shoppingsucht unterwegs um für uns brauchbare Accessoires mit roten oder orangefarbenen Etiketten zu erstöbern.  Ich war anfangs zögerlich, ließ mich von den beiden aber schnell überzeugen. Seitdem beginnt die Kostümplanung etwa im Herbst. Gruppenoutfits sind bevorzugt.  Vorschläge werden erörtert, Themen der Veranstalter mit einbezogen, die Google-Bildersuche läuft heiß.

Superhelden BACKSTAGE...
... und im Einsatz
Alles begann mit drei Sailor-Kriegerinnen und selbst gebastelten Mondstäben. Später waren wir Superheldinnen und Helden, seitdem liebe ich Wonderwoman. Meiner Liebe zu Leoprint konnte ich in der Faschingsmanege ungehemmt freien Lauf lassen und als Raubkätzchen Dompteurin Sarah das andere Ende der Leine überlassen.
Führt übermäßiger Alkoholgenuss bei Katzen zu Riesenwuchs oder bei Menschen zu einer verzerrten Größenwahrnehmung? (Hinweis für Tierschützer: der Katze geht es ausgezeichnet)
In diesem Jahr sind die 90er als Faschingsthema mega angesagt. So ein schönes Jahrzehnt. Ich bin froh meine Jugend in dieser Zeit erlebt zu haben und die LoveParade-Outifts nicht nur aus den Google-Suchergebnissen zum Begriff „90er Kostüm“ zu kennen. Zum Glück habe ich meine rotglitzernde „Raver-Uniform“ von damals nicht gefunden. So waren wir die einzigen American Gladiators unter jeder Menge Techno-Fans.
    
Wir feilen lange an den Kostümen, nicht selten entstehen richtige Einzelstücke. Requisitenbau gehört auch dazu. Was ist schließlich ein Gladiator ohne seinen gigantischen Q-Tip? 
Warum tut man das? Warum investiert man Zeit und Geld? Einfach weil es Spaß macht. 
Es geht nicht um den Wurstkorb oder einen gewonnenen Blumenstrauß. Es geht nur um den Spaß. Um die Freude am gemeinsamen Ergebnis und daran mit der Gruppe und sich selbst eine Veranstaltung zu bereichern bei der (fast) alle das gleiche Ziel haben: Spaß. Und sonst nichts. Keinen tieferen Sinn, keine Botschaft, kein Denken, keine Meinungen - nichts von alle dem was im Alltag von uns erwartet wird und was manchmal so anstrengend sein kann. 

Klar geht’s auch ums trinken und ums flirten und weiß der Geier. Aber schaut man sich einmal um wird man feststellen, dass sich der Großteil dafür, dass es ihm nur um den Alkoholrausch geht, ziemlich viele Gedanken um sein Outfit zum Sinnlos-Betrinken gemacht hat.

Uns reicht die zeitlich begrenzte Faschings-Saison längst nicht mehr aus. Wir ergänzen mit selbst organisierten Mottopartys im privaten Umfeld. Wenns sein muss auch gerne mal politisch unkorrekt. Herr Müller im Leoparden-Bademantel als mein Zuhälter oder im Kurzarmhemd mit Krawatte und Trekkingrucksack als Mormone. Uns fällt immer wieder was ein. Sarah und Marco sowie eine Hand voll ausgewählter Bekloppter geben sich die Ehre.

Authentische Requisiten sind ALLES. Und Humor immer noch "dehnbar"...
Für Bad-Taste-Mottos brauche ich im Kleiderschrank nie lange suchen...
Aber warum polarisieren Verkleidungen so? In einer Facebook-Community habe ich erst heute eine Umfrage zum Thema entdeckt. Sicher, es ging um Fasching im Großen und Ganzen. Und wie oben schon erwähnt habe da auch ich meine Grenzen was das ganze Drumherum angeht. Aber so what. Jeder wie er mag. 
Was allerdings (nicht nur mir) auffällt: Während die Faschings-Fans mehr der „Leben und Leben lassen“-Argumentation folgen, argumentieren häufig sehr ernst bis sogar aggressiv. 
Es gehe nur ums „Saufen“, „Auf Kommando lustig sein“, „sich zum Deppen machen“ und eigentlich ist "der ganze Scheiß jenseits der Pubertät überflüssig“.

Ist das Gegenteil von überflüssig „NÜTZLICH“? Und wenn ja: Muss denn immer alles nützlich sein? Ich bin (und ich denke da spreche ich für die Mehrheit der Faschings- und Verkleidungsfreunde) kein realitätsferner Depp.

Auch ich war geschockt als Trump Präsident der USA wurde und mache mir so meine Gedanken was weltpolitisch auf uns zukommt, ich wurde im letzten Jahr mit Krankheit und Leid mir sehr nahe stehender Personen konfrontiert, ich habe eine Baufinanzierung unterschrieben, Geld und Hilfsgüter gespendet und achte darauf immer pünktlich zur Arbeit zu erscheinen aber WARUM ZUR HÖLLE WARUM muss man denn immer erwachsen, ernst, seriös und nützlich sein? Ist es angesichts der angespannten politischen Lage, dem Klimawandel und täglicher Flüchtlingsdiskussionen unangebracht mal nur „lustig“ zu sein? Sind die womöglich die Menschen, die Faschingsfans in die "Versoffene-Deppen-Schublade" stecken die gleichen, die sieben Tage die Woche arbeiten und sich nur darüber beklagen wie stressig ihr Leben und scheiße die Welt doch ist? 

Leute, atmet mal durch die Hose und macht was verrücktes. Stellt zur Frühstückspause doch mal einen Karton mit Perücken zwischen die Tupperdosen auf den Tisch eures mausgrau gestrichenen Aufenthaltsraums. Es können nur zwei schreckliche Dinge passieren: euer angespannter Kiefer lockert sich mal wieder (die Fissuren eurer Backenzähne danken es euch) UND eure Kollegen werden zu Menschen...

Mut zur Hässlichkeit. Neues Profilbild von Frau Müller mit Minipli und Oliba?
Anlässe gibt es immer - und wenn es ein Junggesellenabschied ohne Braut ist.
  
Folgt mir auf Facebook und klickt HIER. Vielleicht finde ich das Foto vom Mini-Teufelchen doch noch ;-)

2 Kommentare:

  1. Gut oder? *lol* Wir haben auch sehr gelacht. Ich hatte sogar ein "Original"-Namensschildchen mit "Original"FakeName gebastelt...

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