In der Annahme zu einem Bewerbungsgespräch in einem piefigen Callcenter eingeladen zu sein, machte ich mich mit meiner Schwägerin Kathleen vor fast 20 Jahren auf den Weg ins Ungewisse. Wir fanden uns wieder auf einer Couch, die nach uns vermutlich noch vielen aufgeschlossenen Frauen eine Wirkungsstätte bieten sollte. Ute, ihres Zeichens Bordellbetreiberin, setzt noch dem nahezu unverfänglichen Smalltalk von letzter Woche heute nun zur Offensive an und bringt uns Backstage in den Puff...
Der
„Besuch“ von Lady Bella brachte Ute auf die Idee, uns doch einfach mal den ganzen
„Betrieb“ zu zeigen. So konnte sie uns die möglichen Betätigungsfelder vor Ort
erläutern. Los gings gleich im Kerker, Bellas Wirkungsstätte – Peitschen,
Andreaskreuz, Pranger und der ganze Plug- und Dildokram.
Heute
mit Mitte Dreißig wirft mich das nicht mehr aus der Bahn, auch wenn ich stolz
darauf bin, nie Shades of Grey gelesen zu haben. Mittlerweile kenne ich auch indem Bereich MEINE Rosinen aus dem Kuchen. Aber ihr könnt euch vielleicht
vorstellen, dass mich als 18-Jährige der Holzschemel mit aufgesetzen
Edelstahldorn in der Größe "Ausgewachsenes Einhorn" dann schon ein wenig verstörte. Die
von Ute ganz nebensächlich erwähnten Stromanschlüsse an dem Teil setzen dem das
Krönchen auf.
Wie
ferngesteuert folgten wir der Frau im Kostüm in den Nebenraum. Sie nannte ihn
die Klinik, tatsächlich fühlte man sich wie in eine Arztpraxis gebeamt. Nur die
Details verrieten, dass es hier nicht um Krebsvorsorge gehen sollte. Zumindest
hängt bei meiner Frauenärztin kein riesiger Spiegel über dem Behandlungsstuhl.
Ausgestattet mit diesem Gynäkologenstuhl, einem Schreibtisch für die Ärztin und
kleinem Empfangsbereich sowie allerhand medizinischem Gedöns käme dieser Raum
für uns als Wirkungsstätte wohl eher nicht in Frage meint Ute, immerhin braucht
man zum Legen von Kathedern oder Zugängen eine rudimentäre Ausbildung im
medizinischen Bereich. Für einen Einlauf würde unser Know-how vielleicht noch
reichen.
Rückblickend
hatte ich von diesem ganzen „schwarzen SM“ ja schon mal was läuten hören, selbst
als Teenie. Aber dass es das Ganze auch in Weiß gibt war mir neu und verstörte
mich zum damaligen Zeitpunkt latent. Heute denk ich mir: jedem Tierchen sein
Plaisierchen.
Ute
zeigte uns weitere Räume, darunter auch den Massageraum. Hier fand sich auch
die nach der Außenreklame erwartete Sonnenbank. Ich vermute mal für die
Angestellten. Oder geht jemand ins Bordell um sich zu sonnen? Vielleicht auch
nur als Alibi für die Gewerbeaufsicht? Weiß der Geier.
In
der Mitte die Massageliege. Ganz unschuldig stand sie da. Drum herum
verspiegelte Wände, in denen sich meine bestrumpften Beine wohl
vertrausendfachen würden. Das tun sie so effektiv dass es wohl nie zur
Notwenigkeit des „Nachhelfens“ am Schluss der Massage kommen würde?! Die
Vielzahl an Plastikpflanzen und Bambusdetails ließ mich an einen skurrilen
botanischen Garten denken, mit Kondomen als Blüten und winzigen Dildos mit
Schmetterlingsflügeln.
Alle
anderen „Arbeitszimmer“ waren thematisch eingerichtet – definitiv war die
Handschrift einer Frau zu erkennen. Ein bisschen so, als hätte man
Phantasia-Land bewohnbar gemacht und mit einer Überdosis Nanu-Nana garniert. Oder
auch wie die FSK18-Version des Barbie-Traumhauses, nur mit weniger Pink dafür
umso mehr Gold.
Da
war das Dschungelzimmer mit Whirlpool, Bambus-Thron und mehr Gummigrünzeug als
in allen Erlebnisbädern dieser Erde zusammen. Ich kann mir heute lebhaft
vorstellen, dass in dieser Atmosphäre jeder Bürohengst in Sekundenschnelle
seine Krawatte zur Liane umfunktioniert.
Es
gab auch eine Kornkammer, eingerichtet mit Bauermöbeln, bekannt aus dem
elterlichen Schlafgemach und liebevoll dekoriert mit authentischen Strohballen
und Mohn-Kornblumen-Bouquets aus Plastik und Polyester. Die sich hier
abspielenden Szenen könnten vermutlich als Outtakes aus „Bauer sucht Frau“ nach
Mitternacht zwischen den Sexy Sport Clips
auf den Sportkanälen laufen.
Ute
erklärte uns ihr Geschäfts-Konzept in etwa so: Da eine nicht unerhebliche
Anzahl der Kunden nicht nur zum Zwecke des erleichternden Geschlechtsverkehrs
die Räumlichkeiten aufsucht sondern vor allem Geborgenheit, eine Schulter zum
Anlehnen und ein zuhörendes Ohr vermisst, sei es besonders wichtig ein solches
Wohlfühl-Ambiente zu bieten, dass den Eindruck vermittelt, nicht nur eine
Dienstleistung zu verkaufen.
Der
Rundgang endet mit dem Personalraum. Also so etwas wie das Lehrerzimmer für Prostituierte.
Küchenzeile, Dusche, Couchgarnitur und viel Nikotin. Das Thema dieses Zimmers
erschloß sich mir nicht ganz, jedenfalls schien hier die Funktion VOR dem
Wohlfühlfaktor zu stehen. Mutmaßungen zum Raumthema wären an dieser Stelle von
meiner Seite nicht wertungsfrei.
Nur
so viel: während Cinderella die perfekte Ergänzung zu ihrem Schloss in
Disney-Land bildet schienen die Frauen, welche hier in Lurex-Stretch und
Nieten-Highheels die Aschenbecher quälten, nicht die Kirsche auf dem eben
besichtigten Sextopia zu sein.
Am
Ende unserer Führung verabschiedete sich Ute auf ihre seriöse Art. Wir sollen
über die Eindrücke schlafen und uns melden, wenn was für uns dabei ist. Kathleen
vor allem. Die Domina-Version von ihr schien Ute zu begeistern. Natürlich haben
wir uns nicht mehr gemeldet.
Und
dennoch: ich danke in erste Linie mir selbst für meine Naivität, die mir diesen Einblick ermöglicht hat. Welche Frau mit meinem Werdegang kann schon
behaupten einmal ein Bordell und seine Belegschaft kennengelernt zu haben.
Dann
danke ich Kathleen, die auch im späteren Leben nie Domina geworden ist. Vielleicht
tatsächlich verschwendetes Potential – wir werden es wohl nie erfahren. Stellen wir uns vor, Ute wäre Berufsberaterin des Arbeitsamtes geworden und wäre in Kathleens zehntem Schulbesuchsjahr auf dieses vielversprechende Talent gestoßen. Die Geschichte hätte wohl einen anderen Verlauf genommen. Ich
weiß nicht ob meine Schwägerin damals genauso ahnungslos war wie ich oder einfach Frau genug
um mich nicht hängen zu lassen.
Alle
Welt bildet sich oft ohne jedweden Background ein, über diese Menschen, ihr Gewerbe
und ihre Kundschaft urteilen zu müssen. Ich kann und möchte mir selbst nach
dieser Erfahrung keines erlauben. Zugeben muss ich allerdings, dass mich
der Job als Empfangsdame durchaus gereizt hätte. Wo sonst lernt man mehr über
die Kundschaft als auf den Wegen zwischen Klingel, Dusche und Bambusthron? Ist
es mit Mitte Dreißig schon zu spät für einen Quereinstieg in dieses Gewerbe?
Ihr denkt, dieser Ausflug war skurill? Ich finde meinen Alltag
in der Schule oft nicht weniger seltsam bis ulkig. Wenn ihr nichts
verpassen wollt von den Ausflügen in Mikro- und Makrokosmos des
Kuriositätenkabinetts "Menschen", dann abonniert mich doch hier
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