"Huhu - ich hab dir einen Blogartikel geschrieben - weil mir heute mal so war." Mit diesen Worten kündigte mir Mee Bodyless die Email per WhatsApp an. Mee ist Musikerin, nebenbei auch Mutter und Pädagogin und eine meiner langjährigsten Freundinnen. Wenn nicht sogar die Langjährigste. Definitiv die Langjährigste. Mit ihr teile ich nicht nur Erinnerungen an eine gemeinsame Zeit auf der falschen Seite des erzieherischen Machtgefälles sondern auch das Glück, gelegentlich ziemlich spezielle Kinder zu haben...
Die Grippewelle ist im Anmarsch. Und da ich mich sorge, dass Frau Müller mal ausfällt, hab ich mich spontan und ungefragt in den Vertretungsplan eingetragen. Ganz uneigennützig ist das allerdings nicht - ich saß heute 2 Lehrern der Gymnasialstufe gegenüber und reflektierte gemeinsam mit ihnen das Sozialverhalten meines Sohnes im Unterricht. Ich befinde mich noch im Verarbeitungsprozess. Und auch wenn ich nicht veröffentlicht werde, wird mir das Niederschreiben meiner Erfahrungen mit Lehrern verschiedener Couleur sicherlich helfen.
Ich liebe Frau Müller. Sie ist meine Freundin. Schon lange. Und auch dann, wenn wir uns lange nicht hören. Und zwar bedingungslos. An meine Schulzeit erinnere ich mich nur partiell gern zurück. Und wenn, dann erinnere ich mich an Frau Müller. Mit ihren begnadeten, rhetorisch und visuell unschlagbaren Referaten über Kafka und Co übertraf sie selbst den leidenschaftlichsten Lehrer und holte mich, sicherlich ungewollt, aus meinem Sekundenschlaf zurück. Schon damals wünschte ich mir, dass sie später die Lehrerin meiner Kinder werden würde. Schade, dass das nicht geklappt hat. Dann hätte ich jetzt vielleicht nicht folgende Probleme zu bearbeiten:
Ich war meinen Lebensaufträgen schon immer irgendwie voraus. Und als mein Sohn mit 4 Jahren damit begann, die Bundesligatabelle im Videotext hoch und runter zu lesen, wusste ich, dass bald Arbeit auf mich zukommen würde. Sozialarbeiter wittern das. So bemühte ich mich mehr als rechtzeitig um eine vorzeitige Einschulung. Ich suchte Beratungsstellen, Begabungsforscher, freie Schulen, halbfreie Schulen, Hobbypsychologen und Schulen mit Gemeinschaftssinn und klassenstufenübergreifendem Unterricht auf. Am Ende wurde es die staatliche Schule auf dem Hinterwelterdorf,welches ich eigentlich verließ, um in der modernen Großstadt zu leben.
Viel Auswahl hatte ich nicht, eigentlich gar keine. Denn die "Entfaltung der Persönlichkeit", wie im Kinder- und Jugendhilfegesetz beschrieben, hat in Schulen kein Gewicht. Zwei Dinge zählen: EINZUGSBEREICH und LEHRPLAN. Nur leider hat oftmals nur der Lehrplan einen Plan. Der Lehrer hingegen ist häufig planlos. Zumindest bei der Umsetzung des Plans. Und beim Versuch, keinen seiner Schüler der Planlosigkeit auszuliefern.
Der Lehrer ist so voller Lehrplan, dass es ihm an Empathie für seine Schüler mangelt. Insbesondere bezüglich der verschiedenen Lernwege, Persönlichkeiten und Ressourcen. Am Ende landen die Eltern der Kinder, die fernab vom Mainstreben LEBEN, beim Verbindungsheft. Ich wollte mich zweimal dagegen wehren. Hatte aber keinen akzeptablen Gegenvorschlag, der messbar und kontrollierbar ist. Mein Vorschlag über "Beziehung" zu arbeiten wurde regelmäßig mit der Benennung der Gesamtschülerzahl abgeblockt.
So brachte mir mein Sohn über 3 Jahre Tag ein, Tag aus, kleine schriftliche Episoden aus dem Schulleben eines etwas zu intelligenten Schulkindes mit nach Hause. Das Beste nenn' ich gleich zuerst:
"Ben kommt morgens in der Schule an und fragt lauthals, ob alle Kinder ihren Penis mit hätten". Und damit nicht genug. Denn: "Dies fand er auch noch lustig!". Ich war entrüstet. Mein Sohn amüsiert sich in der Schule!!!
Ich wäre nicht ich, wenn ich nicht entsprechend geantwortet hätte:
"Liebe Frau..........., als mein Sohn gestern nach Hause kam, teilte er mir völlig echauffiert mit, dass ich doch wissen müsse, dass der PULLERMANN eigentlich ein PENIS sei. Er hat sich so über diesen neuen Begriff gefreut, dass er ihn jetzt auch in der Kommunikation verwenden möchte. Er war schon immer ein Freund der Wortspiele." Und so war es wirklich.
Auf Platz 2 ist dieser Kommentar: "Die Klasse plante heute einen gemeinsamen Besuch der Kirche. Ben teilte lauthals mit, dass er darauf keinen Bock hätte...".
Bezüglich der Abneigung gegenüber des Kirchbesuchs antwortete ich, dass wir uns immer alle wundern, dass gerade Männer oftmals Probleme haben, ihre Gefühle zu benennen und dass ich meine Kinder aber so erziehe, dass sie es sich von Anfang an gleich angwöhnen. Zudem sei es pägagogisches Geschick, meinem Sohn das Christentum schmackhaft zu machen. Gerade mit Kindern, die mitteilungsbedürftig sind und tagtäglich wirklich alles hinterfragen, ist die Kirche doch wirklich der beste Ort um ins Gespräch zu kommen. Lehrplan versus Plan Gottes. Warum hat er eigentlich nicht gleich 2 Frauen und 2 Männer erschaffen? Wäre alles viel schneller gegangen und die Erderwärmung wäre jetzt noch nicht soweit voran geschritten.
Aber gut. Null-Bock-Einstellungen waren in der Schule noch nie angesagt. Es folgten noch viele weitere kuriose Mitteilungen aus dem Schulleben meines Sohnes. Am Ende tat er mir nur noch leid. Und ich mir auch. Einer wirklich tollen Lehrerin, die sich die Jahre zuvor scheinbar in der Kirche versteckt haben muss, ist es zu verdanken, dass das letzt Jahr irgendwie glimpflich und mit 1,0 Bildungsempfehlung ausging. Gott segne sie. Übrigens trägt sie den gleichen Vornamen wie Frau Müller. Bei ihr blieb mein Sohn auch am Nachmittag noch freiwillig sitzen. Denn gedisst wird nicht nur durch Lehrer, auch Horterzieher stehen ihnen da nicht nach.
Wir springen ins Jetzt. Zu meinem heutigen Elterngespräch. Ich sitze mit zwei schon sichtbar gezeichneten Junglehrern im Klassenzimmer meines Sohnes. Schon zu Beginn weist Ben mich darauf hin, dass er nur einen Teil der im Zimmer präsentierten Klassenregeln abgesegnet hätte. Somit hat er natürlich auch Probleme, sich dran zu halten. Ich habe Verständnis, bin aber auch vernünftig und teile ihm zum 187. Mal mit, dass ich meinen Arbeitsvertrag auch nur unterschrieben habe und mich keine Sau nach meiner Meinung gefragt hat.
Gleich zu Beginn wird mir klar: Es handelt sich um die alte Leier. Langeweile, Störverhalten im Unterricht, doofe Sprüche, schlechte Konzentration, rücksichtsloses Verhalten, Minderleister. Hochbegabte halt. Als hätte es der Lehrer von Wikipedia raus kopiert. Meine Hoffnung, dass Junglehrer hier auf einem neueren Wissensstand sind, zerschlägt sich innerhalb von Sekunden. Ich höre mir an, dass Kinder ohne Haargummi, 90 Minuten im Sportunterricht auf einer Turnbank verbringen müssen. Entrüstet wird mir mitgeteilt, dass mein Sohn den kurzen Zeitraum von NEUNZIG MINUTEN nutzt, um auf sich aufmerksam zu machen, Kinder zu bespaßen, Comedians zu rezitieren und aufzustehen.
Überhaupt steht er im Unterricht auf. Die Tatsache, dass er einer bewegten Grundschule entspringt, lässt die Junglehrer dann doch mal aufhorchen. Man kommt mir entgegen und ich gebe gute Tips. Weil ich so entzückt davon bin, stimme ich dem Verbindungsheft zu. Dabei dreht es mir mehrfach den Magen um. Ich nehme mir vor, dies zu unterbinden, wenn ich merke, dass auch die Lehrer sich nicht an unsere Absprachen halten.
Nach dem Gespräch bin ich nicht zufrieden, denke mir aber, dass es hätte schlimmer sein können. Ich maßregle meinen Sohn, dass er künftig andere Kinder wenigstens korrekt beleidigen soll. Einen Vietnamesen als Chinesen zu betiteln ist schon ganz schön flach. Ich bin auch beleidigt, wenn ich Kindergärtner genannt werde. Ich frage mich, wie ich beruflich und privat die Rechte der Kinder durchkämpfen soll, wenn Kinder schon soweit sind, dass sie im Klassenrat die absurdesten Konsequenzen beschließen. Als ich höre, dass mein Kind bei 3 Strichen fürs Stören etwas abschreiben muss, rutscht mir kurz die Abkürzung DDR aus dem Mund. Ich frage nach einem inhaltlichen Bezug zum Vergehen - und den gibt es. Sinn macht er keinen, aber er ist da: "Es ist Nachmittag und eigentlich könnte ich jetzt mit meinen Freunden spielen. Da ich aber heute gestört habe, muss ich an diesem Text schreiben...".
Hier bin ich an dem Punkt, wo ich nicht mehr weiß, was ich sagen soll, außer DDR. Der Junglehrer täuscht sein modernes Handeln vor, indem er Sanktionen unter dem Deckmantel der kindlichen Partizipation an mich herantragen will. Die Kinder haben entschieden. Ich frage nach Alternativen. Die gibt es wohl, aber konkreter wird es nicht. Am Ende wittert der Sozialarbeiter Überforderung beim Junglehrer.
Liebe Lehrer, euren Job möchte ich nicht haben. Ihr aber, habt euch dafür entschieden.
Ich habe monatelang gestillt, Wochen in Krankenhäusern verbracht und 200 Päckchen mit pädagogisch wertvollem Spielzeug bei Amazon bestellt. Wir waren immer viel draußen und ich habe keine wechselnden Lebenspartner. Ich habe mein Kind nach der Geburt sofort mit nach Hause genommen. Ben hat Hobbies, unsere Urlaube sind individuell und in der Gemeinschaft. Ich komme zu jedem Elternabend. Ich habe viel gelesen und Tipps gegeben, die Kita gewechselt, mich mit den Großeltern und meinem Ehemann gestritten. Ich kontrolliere jeden Tag das Hausaufgabenheft. Wir spielen am Wochenende bis 23.00 Uhr Siedler obwohl ich eigentlich lieber vögeln oder Gitarre spielen würde. Ich höre so oft wie möglich zu. Mein Kind geht auf Fußballspiele und Konzerte. (Obwohl Sonntag ist). Ich denke, ich bin dabei. Ich denke, wir rocken das. Aber jetzt - jetzt seid ihr auch mal dran...
Ich gebe zu, ich habe mich nur dazu entschieden diesen Artikel zu veröffentlichen weil er sowohl meine Persönlichkeit als auch meine ganz individuelle berufliche Kompetenz beweihräuchert.
Soll also keiner sagen, ich wettere nur gegen Eltern und im Speziellen Mütter. Ich geb ihnen hier sogar eine Stimme - übrigens als Teil der ständigen Aktion bzw. Blogparade "Flohmarkt der Gefühle". Vermutlich, weil sich diese Stimme mit meiner bei einer Flasche Rotwein nicht nur über Analverkehr und unsere gemeinsame Schulzeit sondern auch über anstrengend-kluge Kinder austauschen kann...
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der Müllerin. Rein klicken
Respekt und ein Danke an die Gastschreiberin... (ich bitte dies auszurichten)
AntwortenLöschenUnd spätestens nach dem letzten Satz fühle ich meine Überzeugung wieder einmal bestätigt, dass Frauen und Männer gleicher sind als sie sich gegenseitig eingestehen würden...jedenfalls was Gesprächsthemen angeht.
Wahrscheinlich unterscheiden sich Männer und Frauen nur im Medium, welches die Gesprächsthemen zu Tage fördert ... :-)
LöschenPädagogik, frei übersetzt die "Kunst der Kindesführung" ...
AntwortenLöschenLeider präsentieren sich offensichtlich nicht nur die Lehrer meiner Kinder, sondern viele Bewohner des Lehrerzimmers nicht als Künstler, sondern als Soziopathen, die sich zwar irgendwo eine oberflächliche Form Sozialverhalten abgeschaut haben, aber im Alltag in seiner Anwendung ständig versagen.
Die Schule unseres Sohnes habe ich mal als "Sanatorium" bezeichnet, nur hätte noch keiner verstanden, wer nun Insasse und Pflegepersonal ist. Gilt wohl auch für andere Schulen ... mein Mitgefühl.
Stellt sich sowohl bei Lehrern als auch bei Schülern nur die Frage, ob man krank rein kommt oder krank raus kommt... hinsichtlich des Sanatoriums ;-)
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