Wenn ich im letzten Artikel auch die blumigsten Ruhestandsszenarien malte und in wenigen Wochen schon Zerstreuung von den Wirren des beruflichen Molochs darin finden werde, einem schwarzen Kätzchen mit Laseraugen zu lernen, auf meiner Schulter zu sitzen wenn Besuch kommt - das ein oder andere Jährchen werde ich im Schulsystem noch funktionieren müssen. Sonst kann ich mir weder die Altersruhe als schrullige Katzenlady noch als Bewohnerin einer polyamorösen Villa-Kommune mit Resort-Teil leisten. Also entwickelt man Überlebensstrategien, die einem den Aufenthalt im Berufsleben so erträglich wie möglich machen. Eine meiner Strategien sind Besuche des Lehrerzimmers in minimalen Dosen...
In unserer eigenen Schulzeit sahen wir von diesem sagenumwobenen Ort meist nur einen Ausschnitt. Nämlich ziemlich genau das, was zwischen Zarge und Türblatt, in Abhängigkeit vom BMI des Pädagogen, der unser zaghaftes Klopfen vernommen hatte und uns sein Ohr und Antlitz lieh, sichtbar wurde. Wurde uns doch einmal das Privileg zu teil, einen Fuß über die heilige Schwelle zu setzen, fühlten wir uns wie Frodo jenseits des Auenlandes. Drachenhöhle, Hort des Bösen und Urquell aller Prüfungsaufgaben samt Lösungen – Geburtsort aller vernichtenden Pläne und kindliche Bedürfnisse missachtenden Ideen.
Während Studium und Referendariat wurde aus diesem Ort für den Junglehrer eine Art Zwischenwelt. Ich fühlte mich in meinem Leben an nur wenigen Orten so wenig zugehörig wie in den Lehrerzimmern der Praktikums- und Referendariatsschulen. Noch nicht mal die Vertriebsfeier mit integrierter Gruppenmasturbation, zu der mich Herr Müller später einmal geschleppt hatte, zerriss mich innerlich derart.
Ein Teil dieser inneren Abkehr, der menschliche Teil, ist mir bis heute geblieben. Man ist in diesem Ökosystem im Stadium beruflicher Adoleszens weder der Jäger noch der Gejagte, streunt deplaziert durch 90er-Jahre-Büromöbel aus Pressspan und möchte von niemandem angesprochen werden. In den Jahren der Ausbildung flößt einem die vermeintliche Kompetenz gestandener Lehrer – ich spreche bewusst NOCH nicht von Kollegen, denn es fühlte sich noch nicht kollegial an – noch Respekt ein. Dieser Respekt geht einher mit der Angst durch Interaktion das eigene Unvermögen bloßzustellen. Also meidet man diesen Ort, wenn man nicht gerade etwas kopieren muss, obwohl man längst im Besitz des heiligen Schlüssels ist.
In unserer eigenen Schulzeit sahen wir von diesem sagenumwobenen Ort meist nur einen Ausschnitt. Nämlich ziemlich genau das, was zwischen Zarge und Türblatt, in Abhängigkeit vom BMI des Pädagogen, der unser zaghaftes Klopfen vernommen hatte und uns sein Ohr und Antlitz lieh, sichtbar wurde. Wurde uns doch einmal das Privileg zu teil, einen Fuß über die heilige Schwelle zu setzen, fühlten wir uns wie Frodo jenseits des Auenlandes. Drachenhöhle, Hort des Bösen und Urquell aller Prüfungsaufgaben samt Lösungen – Geburtsort aller vernichtenden Pläne und kindliche Bedürfnisse missachtenden Ideen.
Während Studium und Referendariat wurde aus diesem Ort für den Junglehrer eine Art Zwischenwelt. Ich fühlte mich in meinem Leben an nur wenigen Orten so wenig zugehörig wie in den Lehrerzimmern der Praktikums- und Referendariatsschulen. Noch nicht mal die Vertriebsfeier mit integrierter Gruppenmasturbation, zu der mich Herr Müller später einmal geschleppt hatte, zerriss mich innerlich derart.
Ein Teil dieser inneren Abkehr, der menschliche Teil, ist mir bis heute geblieben. Man ist in diesem Ökosystem im Stadium beruflicher Adoleszens weder der Jäger noch der Gejagte, streunt deplaziert durch 90er-Jahre-Büromöbel aus Pressspan und möchte von niemandem angesprochen werden. In den Jahren der Ausbildung flößt einem die vermeintliche Kompetenz gestandener Lehrer – ich spreche bewusst NOCH nicht von Kollegen, denn es fühlte sich noch nicht kollegial an – noch Respekt ein. Dieser Respekt geht einher mit der Angst durch Interaktion das eigene Unvermögen bloßzustellen. Also meidet man diesen Ort, wenn man nicht gerade etwas kopieren muss, obwohl man längst im Besitz des heiligen Schlüssels ist.
Heute meide ich das
Lehrerzimmer immer noch. Das liegt hauptsächlich an den Personen, die man auf
Grund der Zweckgebundenheit der Räumlichkeit dort trifft: Lehrer. Dieser Raum
ist nicht nur Umschlagplatz für selbst geräucherten Schinken und Gemüse aus dem
Schulgarten, er ist auch eine Art Gerüchte-Schwarzmarkt. Wenn sich diese
Gerüchte wenigstens überwiegend um Schüler drehen würden, könnte ich der Sache
ja noch gerade so etwas abgewinnen. Aber da hauptsächlich mit dem Ruf der
Kollegen gedealt wird, die gerade nicht in Hörweite sind, lass ich den lieben
Menschen ihre Ruhe, die sie brauchen um auch mich ausgiebig durch den Kakao zu
ziehen. Milch ist immerhin gut für die Haut. Das wusste schon Kleopatra.
Ihr kennt sicher auch diese
Orte, denen ein solch penetranter Duft anhaftet, dass man (auch wenn das
objektiv gar nicht so ist), noch stunden- oder tagelang diesen Geruch in der
Nase hat. Ich rede also nicht von Frittierküchen oder dem Raucherzimmer eines
Altenheims. Ich meine mehr Fleischereien im Sommer, die Schmutzwäscheräume
in Pflegeheimen oder Kläranlagen. Im Lehrerzimmer riecht es immer nach altem
Papierkram, Toner und Kaffee. Da können auch die 4711-benebelten Damen und das
billige Rasierwasser der unterrepräsentierten Herren nichts dagegen ausrichten.
Die Kaffeemaschine oder besser die Kaffeemaschinen, sind so etwas wie der Reaktor der Schule. Aus ihnen wird Energie gewonnen. Sie allein gilt es zu schützen. Der Dienst an der Kaffeemaschine ist sorgsam geregelt per minutiösen Plan am schwarzen Brett. In Abstimmung mit den Dienstplänen wird eine Kaffeemaschinenfachkraft für jeden Wochentag festgelegt, deren Pflicht es ist, nach dem ebenfalls aushängendem Trinkplan in der zweiten Stunde noch vor Beginn der Frühstückspause die korrekte Anzahl an Kaffeebechern rauszustellen, die zur Befüllung notwendige Menge Kaffee zu kochen und beides in einer dem Aroma und der Temperatur des schwarzen Brühgetränks nicht abträglichen Zeitspanne vor dem erlösenden Pausenklingeln miteinander zu vereinen.
Mit der Präzision ähnlich eines Boxenstopps bei der Formel1 rauschen die vom Stress der zurückliegenden 90 Minuten gezeichneten Pädagogen durch die Tür, nehmen quasi im Vorbeimarsch die volle Kaffeetasse auf und parken auf ihrem seit 30 Jahren angestammten Platz am langen Tisch. Dort verbleiben sie exakt 15 Minuten bis zum nächsten Klingeln und produzieren durch fortwährendes Schnattern, Kreischen und Gaggern einen Lärmpegel, der „Rock am Ring“ in nichts nachsteht. Ein dritter Kaffeeplan am schwarzen Brett sorgt übrigens ebenso penibel wie zuverlässig für termingerechten Nachschub an Kaffeepulver, Kondensmilch und diversen Süßungsmitteln. Kommt ein Mitglied der Kaffeegang seiner Pflicht nicht rechtzeitig nach gleicht die Reglementierung des säumigen Kollegen einem Besuch von Inkasso Moskau.
Reaktor, Altar, Solarplexus der Lehranstalt.
DAS ist der Kaffeemaschinenbereich.
Nahezu gleichbedeutend für die reibungslosen Abläufe des Lehrens und Lernens in der Anstalt wie die Kaffeemaschinen, ist der Kopierer. Um dem Etat des Landkreises keinen Schaden durch frevelhaftes und verschwenderisches Kopieren zuzufügen, ist sowohl der Kopierer selbst als auch das Papier gesichert. So kann jede Kopie dem Pädagogen namentlich zugeordnet werden. Vergisst dieser, darüber buchzuführen wann und für wen die Kopie angefertigt wurde, findet er spätestens nach einem halben Jahr eine Rechnung über den entsprechenden Centbetrag in seinem Fach. Und weil Buchführung alles ist, gibt’s für die beglichenen 4 Cent auch eine Quittung der Schulsekretärin.
Die Kaffeemaschine oder besser die Kaffeemaschinen, sind so etwas wie der Reaktor der Schule. Aus ihnen wird Energie gewonnen. Sie allein gilt es zu schützen. Der Dienst an der Kaffeemaschine ist sorgsam geregelt per minutiösen Plan am schwarzen Brett. In Abstimmung mit den Dienstplänen wird eine Kaffeemaschinenfachkraft für jeden Wochentag festgelegt, deren Pflicht es ist, nach dem ebenfalls aushängendem Trinkplan in der zweiten Stunde noch vor Beginn der Frühstückspause die korrekte Anzahl an Kaffeebechern rauszustellen, die zur Befüllung notwendige Menge Kaffee zu kochen und beides in einer dem Aroma und der Temperatur des schwarzen Brühgetränks nicht abträglichen Zeitspanne vor dem erlösenden Pausenklingeln miteinander zu vereinen.
Mit der Präzision ähnlich eines Boxenstopps bei der Formel1 rauschen die vom Stress der zurückliegenden 90 Minuten gezeichneten Pädagogen durch die Tür, nehmen quasi im Vorbeimarsch die volle Kaffeetasse auf und parken auf ihrem seit 30 Jahren angestammten Platz am langen Tisch. Dort verbleiben sie exakt 15 Minuten bis zum nächsten Klingeln und produzieren durch fortwährendes Schnattern, Kreischen und Gaggern einen Lärmpegel, der „Rock am Ring“ in nichts nachsteht. Ein dritter Kaffeeplan am schwarzen Brett sorgt übrigens ebenso penibel wie zuverlässig für termingerechten Nachschub an Kaffeepulver, Kondensmilch und diversen Süßungsmitteln. Kommt ein Mitglied der Kaffeegang seiner Pflicht nicht rechtzeitig nach gleicht die Reglementierung des säumigen Kollegen einem Besuch von Inkasso Moskau.
Reaktor, Altar, Solarplexus der Lehranstalt.
DAS ist der Kaffeemaschinenbereich.
Nahezu gleichbedeutend für die reibungslosen Abläufe des Lehrens und Lernens in der Anstalt wie die Kaffeemaschinen, ist der Kopierer. Um dem Etat des Landkreises keinen Schaden durch frevelhaftes und verschwenderisches Kopieren zuzufügen, ist sowohl der Kopierer selbst als auch das Papier gesichert. So kann jede Kopie dem Pädagogen namentlich zugeordnet werden. Vergisst dieser, darüber buchzuführen wann und für wen die Kopie angefertigt wurde, findet er spätestens nach einem halben Jahr eine Rechnung über den entsprechenden Centbetrag in seinem Fach. Und weil Buchführung alles ist, gibt’s für die beglichenen 4 Cent auch eine Quittung der Schulsekretärin.
Die Bedienung des Geräts erfordert special Skills. Das zumindest wird den Kollegen glaubhaft gemacht. Für Farbkopien ist ein besonderes Vorsprechen beim Informatiklehrer notwendig. Der Informatiklehrer, einziger Kollege mit Rollen am höhenverstellbaren Drehstuhl, schallabsorbierenden Teppichboden im Klassenzimmer und eigener Kaffeemaschine hat den wichtigsten und zugleich härtesten Posten inne. Dieses Aufgabenspektrum ist so anspruchsvoll, dass es schon einmal vorkommen kann, dass ihm real arbeitende Kollegen den wohlverdienten Feierabend um 12.30Uhr damit verderben, dass sie durch entsprechende Tätigkeiten der Unterrichtsvorbereitung das diffizile Gerät selbstgerecht blockieren und der EDV-Fachmann nicht seiner geheiligten Aufgabe des Auschaltens nachkommen kann. Über dieses selbstgezüchtete innerpersonelle Abhängigkeitssystem administriert der Systemadministrator nicht nur die Technik.
Ich persönlich gehe am liebsten während der Stunden kopieren. Das erspart mir erzwungene Warteschlangenkonversationen und die Schmach der Wartenden, wenn ich etwas am Gerät kaputt gemacht habe. Das Lehrerzimmer hat zwar Ohren aber (zum Glück noch) keine Augen. Außerdem kann man so ungesehen vom Kuchen oder den Pralinen der spendablen Geburtstagskinder essen, ohne dabei gesehen zu werden und obwohl man selbst nie etwas für den gefräßigen Haufen mitbringt.
Mal sehen, was gibt es noch.
Einen Kühlschrank mit Kaffeesahne, Kühlpäckchen und den Diazepam-Rektolen der
Epileptiker. Diverse Schwarze Bretter für Weiterbildungen und den Betriebsrat,
eins für die Kaffee-Cosa Nostra und eins für Vertretungshinweise.
Beobachtet man Kollegen beim Studium der Vertretungspläne trennt sich die Spreu vom Weizen. Während nämlich einige das Dokument nach den Vertretungs-, Zusatz- und vor allem Ausfallstunden ALLER inspizieren, kucken normale Menschen (also ich) nur nach ihren eigenen. Entsprechend kürzer fällt auch die Verweildauer vorm Schwarzen Brett aus. Positiver Nebeneffekt: wenig Konversationsangriffsfläche.
Dann gibt es einen Schrank, in dem die Klassenbücher aufbewahrt werden. Dieser Schrank ist neben dem Vertretungsplan für viele Kollegen ein weiteres Instrument zur Überwachung der Arbeitszeit anderer und gleichzeitig Mittel zur Selbststimulation. An der Anzahl der nach getaner Arbeit an ihren Platz zurück gestellten Bücher, bemisst der beflissene Pädagoge nämlich den Grad der eigenen Aufopferung für die Bildungseinrichtung. Kurz: der, der sein Buch zuletzt zurück bringt, ist der fleißigste, alle anderen sind faule Säcke.
Beobachtet man Kollegen beim Studium der Vertretungspläne trennt sich die Spreu vom Weizen. Während nämlich einige das Dokument nach den Vertretungs-, Zusatz- und vor allem Ausfallstunden ALLER inspizieren, kucken normale Menschen (also ich) nur nach ihren eigenen. Entsprechend kürzer fällt auch die Verweildauer vorm Schwarzen Brett aus. Positiver Nebeneffekt: wenig Konversationsangriffsfläche.
Dann gibt es einen Schrank, in dem die Klassenbücher aufbewahrt werden. Dieser Schrank ist neben dem Vertretungsplan für viele Kollegen ein weiteres Instrument zur Überwachung der Arbeitszeit anderer und gleichzeitig Mittel zur Selbststimulation. An der Anzahl der nach getaner Arbeit an ihren Platz zurück gestellten Bücher, bemisst der beflissene Pädagoge nämlich den Grad der eigenen Aufopferung für die Bildungseinrichtung. Kurz: der, der sein Buch zuletzt zurück bringt, ist der fleißigste, alle anderen sind faule Säcke.
Dann gibt es noch die
Fächer. Ein kleines Schließfach mit dem Namen jedes Kollegen, darunter
zugehörig ein viertel so großes offenes Regalfach. An der haptischen Qualität des
Namensschildchens lässt sich die Dauer der Zugehörigkeit zur Schule ablesen.
Kollegen, die schon zur Grundsteinlegung anwesend waren, besitzen ein güldenes
Schildchen mit graviertem Namen, Kollegen wie ich, Quereinsteiger oder
Abordnungen kleben einen aus Notizzettel und Tesafilm selbst gebastelten Namen über
die Provisorien ihrer Vorgänger.
Das Fach selbst stellt eigentlich eine Art Briefkasten zum vereinfachten Austausch mit Kollegen und der Schulleitung dar, ist aber viel mehr Ersatzkofferraum für die Arbeitszeit. Die Strukturierten halten hier Ordnung und eine überschaubare Anzahl an nützlichen Dingen liegt stets am selben Platz, alle anderen nutzen den zur Verfügung stehenden Platz um alles Mögliche zu lagern und schließlich zu vergessen. Dem ein oder anderen Kollegen ist bei dem vorwurfsvoll gegrollten Satz „Das hatte ich ihnen aber in ihr Fach gelegt“ aus dem Munde der Schulleiterin schon alles Blut in die Füße geflossen. Sie hätte ebenso sagen können: Das habe ich ihnen ins schwarze Loch geworfen. Übrigens zähle ich selbst weder zur ersten noch zur zweiten Gattung, da ich weder strukturiert bin noch mich häufig im Lehrerzimmer aufhalte. Was allerdings Kofferräume angeht (und Autoinnenräume überhaupt) zähle ich mich zur Spezies „Schwarzes Loch“.
Das Fach selbst stellt eigentlich eine Art Briefkasten zum vereinfachten Austausch mit Kollegen und der Schulleitung dar, ist aber viel mehr Ersatzkofferraum für die Arbeitszeit. Die Strukturierten halten hier Ordnung und eine überschaubare Anzahl an nützlichen Dingen liegt stets am selben Platz, alle anderen nutzen den zur Verfügung stehenden Platz um alles Mögliche zu lagern und schließlich zu vergessen. Dem ein oder anderen Kollegen ist bei dem vorwurfsvoll gegrollten Satz „Das hatte ich ihnen aber in ihr Fach gelegt“ aus dem Munde der Schulleiterin schon alles Blut in die Füße geflossen. Sie hätte ebenso sagen können: Das habe ich ihnen ins schwarze Loch geworfen. Übrigens zähle ich selbst weder zur ersten noch zur zweiten Gattung, da ich weder strukturiert bin noch mich häufig im Lehrerzimmer aufhalte. Was allerdings Kofferräume angeht (und Autoinnenräume überhaupt) zähle ich mich zur Spezies „Schwarzes Loch“.
Symbolbild :) |
Das letzte Objekt von
zumindest rudimentären öffentlichen Interesse ist der große Tisch. Es ist wie
mit den Schildern an den Fächern. Je besser der Platz desto länger die
Zugehörigkeit. An diesem Tisch findet man sich entweder zu durch die Obrigkeit anberaumten Beratungen ein (dienstliche Pflicht, also tue ich mir das an) oder
zu pseudokollegialen Zusammenkünften zum Beispiel vor Weihnachten oder an Geburtstagen.
Über meine Teilnahme an dieser Art Beisammensein entscheidet das
Zurverfügungstehen von alkoholischen Getränken und Speisen, die sich über die
Qualität eines Pizzadienstes, der auch frittierte Schnitzel und indische
Reisgerichte kann, deutlich erheben. Kuchen geht aber auch.
Als ich damals vor der ersten Dienstberatung einen der wenigen verbleibenden Plätze nach dem Motto „Friss oder stirb“ einnahm, war mir noch nicht klar, dass die Platzwahl einer festgeschriebenen Ewigkeit gleicht, wie sie sonst nur der Lebenserwartung von Landschildkröten zugeschrieben wird. Wäre mir das klar gewesen, hätte ich mich nicht auf den Platz direkt gegenüber der Schulleitung gesetzt. Ich hätte misstrauisch werden sollen, lange Seite, Fluchtrichtung und noch nicht besetzt, das musste einen Haken haben. Vielmehr hätte ich sorgfältig Kosten und Nutzen erwogen und zumindest kurz über den Platz neben dem Hausmeister nachgedacht. Hätte, hätte… Nun sitze ich alle acht Wochen an der PolePosition des Fremdschams der Schulleitung gegenüber und muss dabei ganz analog in meinem Notizbuch kritzeln um wenigstens interessiert und geschäftig zu wirken.
Nichts Schlafen, nichts SocialMedia.
Als ich damals vor der ersten Dienstberatung einen der wenigen verbleibenden Plätze nach dem Motto „Friss oder stirb“ einnahm, war mir noch nicht klar, dass die Platzwahl einer festgeschriebenen Ewigkeit gleicht, wie sie sonst nur der Lebenserwartung von Landschildkröten zugeschrieben wird. Wäre mir das klar gewesen, hätte ich mich nicht auf den Platz direkt gegenüber der Schulleitung gesetzt. Ich hätte misstrauisch werden sollen, lange Seite, Fluchtrichtung und noch nicht besetzt, das musste einen Haken haben. Vielmehr hätte ich sorgfältig Kosten und Nutzen erwogen und zumindest kurz über den Platz neben dem Hausmeister nachgedacht. Hätte, hätte… Nun sitze ich alle acht Wochen an der PolePosition des Fremdschams der Schulleitung gegenüber und muss dabei ganz analog in meinem Notizbuch kritzeln um wenigstens interessiert und geschäftig zu wirken.
Nichts Schlafen, nichts SocialMedia.
Alles Weitere ist uninteressant.
Klassensätze von Büchern, die noch den Stempel „Volkseigentum“ tragen, warten
auf ihr zweites Leben als Fossilien, wenn sie in späteren Erdzeitaltern von zu
Stein gewordenen Sedimentschichten aus Staub befreit wurden. Pädagogisches
Material in den Regalen mit Buchenholzdekor schluckt das Echo des Hühnerstalls, darüber
hinaus hat es keine Funktion. Denn entfernt man es von seinem angestammten Ort,
verändert sich entweder die Neigung der Erdachse oder ein anderer Kollege
benötigt das corpus delicti just in der selben Unterrichtstunde. Die einzigen
Gegenstände mit Eigenleben sind das Laminiergerät und die Kugelschreiber in
Kopierernähe. Nachdem bereits etliche Kollegen nach dem Verbleib dieser begehrten
Gegenstände befragt wurden, einigte man sich einvernehmlich darauf, das
Phänomen des Verschwindens und Wiederauftauchens schlicht nicht erklären zu
können. Büroartikel mit dem X-Faktor.
Für mich persönlich hat das
ganze Konstrukt Lehrerzimmer etwas von einer Art Glaubenseinrichtung. Für die
Christen ist die Kirche ein Ort, an den sie gehen um sich (gegenseitig) zu
versichern, dass sie Christen sind. Vermutlich weil die meisten von ihnen im
Leben jenseits der Kirchenbänke ganz und gar unchristlich handeln. Ich habe
nicht selten den Eindruck Lehrern, die sich überdurchschnittlich oft, lange und
gerne im Lehrerzimmer aufhalten, benötigen diesen Ort zur Sicherung ihrer
beruflichen Identität. Der einzige tragende Unterschied ist, dass Kirchen architektonisch etwa eine Million Mal reizvoller sind als Lehrerzimmer und man sie leichter in ein Boudoir mit Weinkeller umbauen kann.
In Abhängigkeit der Resonanz auf diesen Artikel behalte ich mir vor, weitere mysteriöse Orte wie zB. das Lehrerklo, das Vorbereitungszimmer, das Kabüffchen des Hausmeisters oder auch die Schulspeisung investigativ auszuleuchten.
In Abhängigkeit der Resonanz auf diesen Artikel behalte ich mir vor, weitere mysteriöse Orte wie zB. das Lehrerklo, das Vorbereitungszimmer, das Kabüffchen des Hausmeisters oder auch die Schulspeisung investigativ auszuleuchten.
Das schwarze Brett der Müllerin
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und nehmt im Vorbeirauschen
Synapsenkurzschlüsse auf.
Kompliment zu deinem tollen Blog! Ich bin neu hier und arbeite mich seit gestern langsam aber stetig durch deine Posts. Irgendwie habe ich es bis September geschafft, ohne vor Lachen zu sterben. Ich bin meines Zeichens Lateinlehrerin, dank des allgemeinen Lehrermangels aber seit 2 Jahren an der Grundschule gelandet - mobile Reserve, was bedeutet, dass ich immerhin in keinem Lehrerzimmer lange verweilen muss. Intensive Beschäftigung mit dem Smartphone und die Tatsache, dass ich keinen Kaffee mag und mich somit auch nicht mit Kaffeegeldeintreibern rumschlagen muss, lassen mich die muffelige Atmosphäre ganz gut ertragen. Dass ich meistens an die nächste Schule geschickt werde, bevor die aktuellen Kollegen die Chance bekommen, mir zu sehr auf die Nerven zu gehen, schadet auch nicht. Trotzdem fühle ich mich hier sehr verstanden: Meine Chantal und mein Kevin heißen Ämmely und Meikel (und ja, ich habe das korrekt geschrieben. Der beste Name bisher war aber "Triumf". Mit f. Klarer Fall von elterlicher Selbstüberschätzung) und dein Nordic Walking ist mein Gruppenausflug zum Naketano Factory Outlet für den massenhaften Erwerb praktischer Fleecejacken (Oh Horror!. Ich freue mich jedenfalls darauf, mehr von dir zu lesen =)
AntwortenLöschenLove, Héloise
Et Omnia Vanitas
PS: Übrigens bin ich tatsächlich das Älteste von 4 Kindern, aber bei Pfarrersfamilien ist das nicht assig, sondern "Wahrung traditioneller Werte" =D
Genau für diese Kommentare schreibe ich hier eigentlich. Danke Danke Danke. Es gibt sie - SYMPATHISCHE Kollegen :) Ämmely? Im Ernst? Ich finde das ja gar nicht so blöd, eigentlich. Lautgetreu geschrieben... sollte einiges vereinfachen. Zum Beispiel bei Antragstellungen... Ich hatte es mal mit Eltern zu tun, die wussten nicht wie der Name ihres Kindes geschrieben wurde. Nein, es war keine Jacqueline. Es war Selin... oder Celin... oder Celine... oder... Der Vater hat dann auf der versichertenkarte gespickt.
LöschenWas die Fleecejacken angeht, hört sich das natürlich nach einem echten Verstoß gegen Stil und Menschlichkeit ein. Als "Nichtmitglied des Stammkollegiums" hättest du bei uns an der Schule allerdings Glück haben können und wärst zu solch einer Veranstaltung gar nicht erst eingeladen worden.
Dankbare Grüße aus Absurdistan
Die Müllerin
Vielen Dank für den interessanten und amüsanten Einblick ins Lehrerzimmer.
AntwortenLöschenIch bin Erzieherin von Beruf und erst seit Ende August vorigen Jahres in der Kita, in welcher ich momentan arbeite.
Das mit der Platzwahl kommt mir doch sehr bekannt vor.
Auf die Frage, ob jeder seinen festen Platz bei der Dienstbesprechung hat, wurde mir zwar mit "Nein" geantwortet.
In der Praxis sah das jedoch anders aus und so wechsle ich zwischen dem Sitzplatz neben dem Chef oder dem am Kopfende des Tisches und weiß nicht, was mir unangenehmer ist...
Liebe Grüße, Aletheia
Ich danke DIR fürs Feedback. Na klar wird erstmal mit NEIN geantwortet weil keiner die Gruppe sondern nur sich selbst sieht. ICH habe meinen Stammplatz - wie das die anderen sehen, weiß ich nicht. Und die Anderen sehen das genauso. Bumms. Alles Stammplätze. Menschen eben. Und Lehrer noch dazu. Kann nur schief gehen. Wie gut, dass wir Pädagogen, den Kindern immer so viel über den respektvollen Umgang MITEINANDER erzählen ...
LöschenGanz liebe Grüße zurück,
die Müllerin